Tanz ins Glück
erschöpft und überempfindlich.
Sie stieg vorsichtig die Kajütentreppe hinunter und gelangte in
einen großen, luxuriös eingerichteten Salon mit
schieferblauen Ledersesseln und teuren Brücken auf dem
Holzfußboden. An einer Seite war eine Bar und dahinter die
moderne Kombüse, die funkelte wie das Innere eines Raumschiffs.
Chellie betrachtete sie mit bösen Vorahnungen.
Ash
kam zu ihr. "Wir laufen bald aus." Er blickte sie mit
zusammengekniffenen Augen an. "Du bist blass. Wirst du
seekrank?"
"Soweit
ich weiß, nicht. Und bestimmt nicht, während ich noch im
Hafen bin."
"Der
Wetterbericht ist gut. Auf der Fahrt nach St. Hilaire müsste
alles glatt gehen."
Chellie
unterdrückte ein hysterisches Lachen. Konnte noch irgendetwas in
ihrem Leben glatt gehen? "Ich kann es nicht wirklich glauben",
sagte sie heiser. "Jeden Moment werde ich aufwachen und wieder
in der Kakerlakengasse sein."
"Es
ist vorbei, Michelle. Du weißt doch, wie dieses Boot heißt
– La Belle Rêve, der schöne Traum. Albträume
wird es nicht mehr geben."
Sie
sah Ash nicht an. "Ich werde versuchen, daran zu denken."
"Du
bist fix und fertig", erklärte er. "Ich zeige dir, wo
du schläfst."
Die
große, luxuriös eingerichtete Kabine raubte Chellie den
Atem. An eine Wand war das Doppelbett mit Stauraum darunter gebaut,
darüber waren Fenster. Einbauschränke nahmen eine andere
Wand ein, und sie hatte sogar ihr eigenes Bad, klein, aber
wunderschön ausgestattet. "Bist du sicher, dass der Eigner
nichts dagegen hat?" fragte sie nervös.
Ash
zuckte die Schultern. "Warum sollte es ihn interessieren?
Hauptsache, ich bringe die Yacht heil nach St. Hilaire." Er
öffnete eine Schranktür. "Die Tochter des Eigners
benutzt diese Kabine, wenn sie an Bord ist. Sie hat einige Sachen
hier gelassen, Shorts, Badeanzüge … Du kannst dir
ausleihen, was du brauchst."
"Das
geht doch nicht!"
"Sie
ist ein tolles Mädchen und würde dir gern aushelfen, wenn
sie jetzt hier wäre. Und ihr habt so ziemlich dieselbe Größe.
Nur mit dem, was du anhast, kommst du nicht aus."
Chellie
blickte zu Boden. "Ich bin anscheinend einer wachsenden Anzahl
von Leuten zu Dank verpflichtet."
"Mach
dir darüber morgen früh Gedanken", erwiderte Ash
gleichgültig. "Du kannst später Kaffee und Sandwiches
haben, wenn du möchtest."
"Ich
glaube nicht, dass ich irgendetwas hinunterbringe."
"Dann
lasse ich dich in Ruhe." Er lächelte sie flüchtig an.
"Gute Nacht."
Als
sich die Tür hinter ihm schloss, setzte sich Chellie auf die
Bettkante. Ash Brennan. Jetzt kannte sie endlich seinen Namen. Aber
das war auch alles, was sie wusste. Er war noch immer ein Rätsel.
Und das durfte sie nicht vergessen. Er schien jedoch ernst gemeint zu
haben, was er gesagt hatte. Sie war nur ein weiteres Crewmitglied.
Vielleicht war ihr Verdacht, dass sie nur eine Falle gegen eine
andere getauscht hatte, völlig unfair gewesen. Andererseits war
nicht zu leugnen, dass sie in seiner Gewalt war und keine Kontrolle
darüber hatte, wie er diese Gewalt ausübte. Seine
Einstellung ihr gegenüber auf dem Weg hierher war sachlich und
energisch gewesen, trotzdem konnte sie nicht vergessen, wie er sie
angesehen hatte, als sie im Lokal gesungen hatte, und wie seine Augen
vor Verlangen gefunkelt hatten, als sie für ihn getanzt hatte.
Sogar
in dem Moment schien er sie jedoch gegen seinen Willen zu begehren.
War das nicht genau das, was sie selbst empfand?
Sie
war zu müde, um klar zu denken. Seufzend stand Chellie auf und
sah sich die Sachen im Schrank an. An der Stange hingen schicke
Baumwollhosen, Tops, Shorts, Blusen und Kleider, die meisten mit
Designerlabel. In der oberen Schublade fand sie Bikinis und Pareos.
Die darunter enthielt Wäsche und die dritte Nachthemden. Chellie
nahm eins heraus und ließ den zarten weißen Stoff durch
die Finger gleiten. Es war wunderschön und durchsichtig. So
etwas trug also die Tochter des Eigners in den mondhellen karibischen
Nächten. Nur für sich? Ein tolles Mädchen, hatte Ash
gesagt. Seine Stimme hatte freundlich, sogar ein bisschen zärtlich
geklungen. Er musste die junge Frau sehr gut kennen, wenn er in ihrem
Namen ihre Sachen anbot. Wenn er sicher war, dass sie nichts dagegen
hatte.
Chellie
blickte zum großen Bett und fragte sich, ob sie jemals zusammen
darin gelegen hatten. Und warum sollte sie das interessieren? Sie
würde sich auf St. Hilaire von ihm trennen und ihn nie wieder
sehen.
Sie
hörte das Dröhnen des Motors und wurde sich bewusst, dass
sie fuhren.
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