Tanz ins große Glueck
ihr das persönliche Leben zu wichtig wurde", erwiderte Nadine brüsk.
"Sie hatte keine Wahl", verteidigte Ruth Lindsay. "Sie traf den Mann ihres Lebens, und die Familie wurde ihr wichtiger als das Ballett. Es war Schicksal."
"Es war ihre eigene Entscheidung." Nadine sah Ruth jetzt wieder an. "Ich glaube nicht an Schicksal. Wir lassen die Dinge geschehen. Oder eben auch nicht."
"Lindsay hat das getan, was sie glaubte, tun zu müssen."
"Was sie freiwillig gewählt hat", verbesserte Nadine. "Ich habe eine Priorität in meinem Leben gehabt. Und ich würde es gerne sehen, dass alle meine Tänzer genauso denken, nur weiß ich es leider besser. Du hast das Talent, die Jugend, den Ehrgeiz, dir in der Welt des Balletts einen großen Namen zu machen.
Lindsay hatte gerade angefangen, Aufmerksamkeit zu erregen, als sie das Ballett verließ. Ich möchte nicht gern auch dich verlieren."
"Warum solltest du das?" Ruth stellte die Frage sehr vorsichtig und ließ Nadine dabei nicht aus den Augen. Sie nahm plötzlich nicht mehr wahr, was auf der Bühne geschah.
"Tänzer sind für ihr Temperament bekannt."
"Das weiß ich nur allzu gut", gab Ruth trocken zurück. "Aber das beantwortet mir nicht meine Frage."
"Ich brauche euch beide, Ruth, dich und Nick, aber Nick brauche ich mehr." Nadine machte eine Pause. Sie wartete darauf, dass ihre Worte auch begriffen wurden. "Solltet ihr zwei an den Punkt kommen, dass die Dinge nicht mehr so sind, wie sie sind, und ihr nicht mehr länger zusammen arbeiten könntet oder wolltet - müsste ich eine Wahl treffen. Der Corps de Ballett kann es sich nicht leisten, Nick zu verlieren."
"Ich verstehe." Ruth drehte sich zur Bühne um und starrte auf die Tänzer.
"Ich habe schon seit einer ganzen Weile vorgehabt, mir dir darüber zu reden. Ich dachte, dass es besser sei, dir meinen Standpunkt klarzumachen."
"Hast du mit Nick darüber gesprochen?"
"Nein." Nadine blickte zu Nick hinüber, der sich mit den Kameramännern unterhielt. "Nicht so offen> Ich werde es natürlich tun, wenn es mir notwendig erscheint. Ich hoffe, dass es nicht dazu kommen muss."
"Eine ganze Anzahl von Tänzern in der Truppe haben ein Verhältnis miteinander", sagte Ruth. "Einige sind sogar miteinander verheiratet. Machst du es dir zur Gewohnheit, in ihrem Privatleben herumzuschnüffeln?"
"Solange ihr Privatleben sich nicht negativ auf die Arbeit auswirkt, sehe ich keinen Grund, mich da einzumischen." Sie warf Ruth wieder einen ihrer viel sagenden Bücke zu. "Aber Nick ist nicht nur einer meiner Tänzer. Wir beide wissen das."
"Du kannst wohl kaum behaupten, dass das, was zwischen mir und Nick ist, sich störend auf die Truppe oder auf unser Tanzen auswirkt", bemerkte Ruth steif.
"Noch nicht. Ich mag dich, Ruth, darum habe ich es dir auch gesagt. Und jetzt muss ich gehen, um aus unseren Geldgebern ein paar Dollars mehr herauszuholen." Nadine erhob sich, und ohne ein weiteres Wort ging sie den Gang hinunter dem Ausgang zu und verließ das Theater.
Auf der Bühne arbeitete Nick mit seinen Tänzern, korrigierte sie einzeln und als Gruppe. Dieser Arm war nicht perfekt angewinkelt, diese Fußstellung war nicht ganz makellos. Es gab zwei Tänzer im Ensemble, die er bald zu Solotänzern befördern wollte - ein junges Mädchen, knapp achtzehn, das er mit besonderem Interesse ins Auge gefasst hatte. Sie erinnerte ihn ein wenig an Lindsay. Er sah sie bereits als Carla im Nussknacker, den er im nächsten Jahr in einer Neufassung zur Aufführung bringen wollte. Er würde Madame Maximowa
veranlassen, mit ihr einzeln zu arbeiten.
Arme Kinder, dachte er, als er seine Tänzer beobachtete.
Waren sie sich der Schinderei bewusst, der sie täglich ausgesetzt wurden? Nur wenige von ihnen würden es zu Solisten schaffen.
Er lächelte, als er sich an die Zeit erinnerte, wo Ruth noch in der Ballettgruppe als eine von ihnen getanzt hatte. Sie war so jung gewesen und sehr scheu. Nur wenn sie getanzt hatte, war sie wirklich selbstsicher gewesen. Sogar damals hatte er sie begehrt, und das hatte ihn erstaunt.
Fünf Jahre, dachte er. Fünf Jahre, und jetzt, endlich, hatte er sie. Doch das war ihm nicht genug. Es gab Abende, wo er bis spät in die Nacht mit Verpflichtungen beschäftigt und deshalb gezwungen war, in seine eigene leere Wohnung heimzukehren, während Ruth weit weg von ihm in ihrem Bett schlief.
Er fragte sich, ob er jetzt wohl derart ungeduldig war, weil er so lange auf Ruth hatte warten müssen. Das Geständnis, das er ihr an dem
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