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Tanz mit dem Engel

Tanz mit dem Engel

Titel: Tanz mit dem Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Ruhelager kämen, dachte er, als ob die Farben neue Kraft getankt hätten und nun in die Dinge zurückglitten. Ein Wacholderbusch, der bleich und durchscheinend gewesen war, bekam seine Farbe zurück, als es kurz nach acht Uhr war; der Zaun dort drüben, eben noch kaum sichtbar, wuchs aus dem Schnee hervor, bekam wieder Konturen; von einem Spritzer Sonne getroffen, begann sein Auto unter der Schneekapuze zu schimmern.
    Er hatte die Nachmittagsschicht. Martina schlief. Er verspürte eine dumpfe Rastlosigkeit im Körper, wie ein schwaches Flüstern in der Brust. Er trank rasch den Kaffee, stellte die Tasse in die Spülmaschine und ging ins Bad, wo er die Augen mit kaltem Wasser bespritzte. Dann putzte er sich die Zähne, befühlte mit der Zunge eine scharfe Kante an einem Eckzahn; ein Kältegefühl da, als er den Mund mit Wasser spülte.
    Vorsichtig ging Lars Bergenhem ins Schlafzimmer zurück und griff nach seinen Kleidern auf einem der zwei Sprossenstühle rechts von der Tür. Martina regte sich im Schlaf oder im Halbschlaf, das Laken war heruntergerutscht, und ihre Hüfte hob sich nackt von der Weiße im Bett ab wie ein Hügel aus Haut und Wärme in einer Schneelandschaft. Er schlich zu ihr und strich langsam über den Hügel, streifte ihn mit den Lippen. Sie gab einen kleinen Laut von sich, regte sich wieder, noch immer im Schlaf.
    Er zog sich an, ein dickeres Unterhemd, derbere Schuhe, Lederjacke, Mütze und Handschuhe. Er mußte kräftig zupacken, um die Tür aufzubekommen, weil der Schnee der Nacht von außen dagegendrückte.
    Draußen griff er zur Schneeschaufel gleich neben der Tür, hackte die harte Kruste weg, die wie ein gefrorener Deckel über dem weichen Schnee lag. Er schaufelte sich durch den Gang bis zum Auto durch. Im Sommer baue ich eine Garage, dachte er, wenn ich nur irgendwo billiges Holz finde.
    Er fegte die äußere Schicht vom Auto, versuchte, die linke Tür zu öffnen, um einen Kratzer herauszuholen, aber der Schlüssel ging nicht einmal einen halben Millimeter hinein. Er stand dumm und bescheuert da, das Schloßöl vor Augen, das hinter der Scheibe lag, im Türfach auf der anderen Seite. Bescheuert, dachte er noch einmal.
    Bergenhem probierte die andere Vordertür, die Hintertüren und die Kofferraumklappe, bekam aber kein Schloß auf. Er ging in den Schuppen hinter dem Auto, machte dreißig Zentimeter Stahldraht ausfindig, ging zurück und führte den Draht hinter dem Türblech nach unten und brach binnen Sekunden in das Auto ein. Er ließ den Schlüssel auf dem Autodach liegen, sprühte Öl in die Schlösser, wartete und probierte es mit dem Schlüssel. Es klappte sofort. Er steckte die Plastikflasche mit dem Öl in die Tasche der Lederjacke, nahm den Kratzer und zog mit langen Bewegungen das Eis von der Scheibe. Als die Arbeit fertig war, empfand er eine kleine Befriedigung, wie wenn das Auto sich rasiert, für den Tag zurechtgemacht hätte.
    Das Auto kam stotternd in Gang. Er drehte das Gebläse und die Heizung bis zum Anschlag auf und schaltete das Radio mitten in Phil Collins ein. Er kurbelte sich durch die Kanäle, wurde aber müde und steckte eine Kassette in den Recorder, R.E.M.s Automatic for the People, die er noch im Auto behielt, als sie schon fünf Jahre passe war. Die Nummer zwei in England in jenem Winter. Er wußte es, weil sie 1992, im letzten Semester auf der Polizeihochschule, eine Studienreise nach London gemacht hatten. In einem Pub in Covent Garden war er fröhlich und blau gewesen und bei einem fröhlichen Mädchen oben in Camden gelandet, aber er erinnerte sich nicht recht, wie und wann sie dorthin gekommen waren.
    Automatic for the People.
    Ich stehe automatisch immer auf der Seite des Volkes, weil das mein Beruf ist, hatte er gesagt und herben Wein getrunken, und sie hatte bis ins Bett gekichert.
    Im Frühjahr darauf hatte er Martina kennengelernt.
    Er fuhr nach Süden. Die Landschaft wandelte sich binnen eines Kilometers vom Feld zur Großstadt. Volvos Fabrikstadt rauchte rechts, direkt vor ihm türmte sich die Älvsborgsbron auf. Sie sah aus, als hinge sie vom Himmel herab. Als er sich der Festung näherte, leuchteten die Öltanks scharf.
    Die zweite Welle des Morgens bewegte sich langsam auf dem Autobahnnetz, Pendler von Norden her auf dem Weg in die Büros der Innenstadt.
    Er fuhr auf die Brücke, erreichte den höchsten Punkt, drehte schnell den Kopf nach rechts und sah das violette Band, die Horizontlinie. Sie sah immer anders aus, je nach
    Jahreszeit.

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