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Tanz mit dem Engel

Tanz mit dem Engel

Titel: Tanz mit dem Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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der alle Menschen auf Erden folgen konnten.
    Sie führte die Hand langsam über die Flamme der Kerze auf dem Tisch vor ihr. Es ist eine spannende Arbeit, die ich habe, dachte sie. Drei Tage in der Woche bekomme ich die Möglichkeit, die Theorie zur Wirklichkeit aufzustellen.
    Hanne Östergaard begann mit Lied 346, erste Strophe: Auf, Christen, auf zu Kampf und Streit!, und das Lied murmelte sich hinaus und wurde vom Weiß auf der Skärs Alle bedeckt.
    Sie erkannte die Gesichter in den ersten Bänken, ältere Gesichter, Frauen, die allein kamen, nachdem die Männer der Statistik gefolgt und draußen begraben worden waren, als es soweit war. Die Frauen nickten ihr zu oder vor sich hin, als die Worte sie erreichten, Worte, wie sie Kraft schöpfen sollten, um dem Ansturm aller Feinde standzuhalten, wie sie eine Hilfe im Augenblick der Versuchung erhalten sollten.
    Unten auf der Sankt Sigfridsgatan heulte eine Sirene vorbei, und sie dachte plötzlich an den jungen Polizisten mit seinen schlimmen Träumen. Er hätte etwas wissen sollen über das Wohin und Woher.
    Sie wählte ihren Predigttext aus dem Matthäusevangelium. Sie hatte vorgehabt, von dem zu reden, was jetzt, ringsum geschah, war aber nie richtig auf den Weg gekommen, den sie zu weisen versuchte. Bosheit gab es zu jeder Zeit, mitunter deutlicher, immer zugegen.
    Doch Petrus nahm ihn beiseite und fuhr ihn an: Gott bewahre dich, Herr! Das widerfahre dir nur nicht! Er aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan! Du bringst mich in Versuchung, denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.
    Der Versucher in der Gestalt des Freundes. Hanne Östergaard sprach darüber, ohne zu versuchen, Zwietracht in ihrer Gemeinde zu säen: Hier konnten sich die Menschen aufeinander verlassen.
    Als sie nach Hause kam, hatte Maria einen Topfkuchen gebacken. Es war der vierte Kuchen in dieser Sportferienwoche. Hanne schüttelte Schnee auf die Treppe, ein wenig in den Flur. An der Steigung der Olof Skötkonungsgatan war ein rostiges Auto auf dem Glatteis hängengeblieben. Zwei Männer schoben hinten. »Jetzt könnte man mal den Skötkonung zur Hilfe brauchen«, sagte einer der Männer, als Hanne vorbeigegangen war, ein Blinzeln, ein Lächeln und eine Handbewegung über das Gesicht, um den Schweiß abzuwischen. Plötzlich griffen die Räder, und über die Männer und Hanne wirbelte Schneematsch.
    »Ich habe einen Topfkuchen gebacken«, sagte Maria.
    »Prima.«
    »Ich habe ein paar Eier mehr reingetan.«
    »Mmmm, das duftet wirklich gut.«
    »Du meinst nicht, daß er zu locker ist?«
    »Überhaupt nicht«, sagte Hanne, »du bist wirklich eine Könnerin geworden.«
    »Ich habe es mir anders überlegt, ich will ein Praktikum in einer Konditorei machen.«
    »Kann man das noch ändern?«
    »Ich habe mit denen im Kringelkroken geredet, und sie sagen, daß es okay ist. Ich rufe morgen beim Arbeitsamt an.«
    Alles geplant, klar. Ihretwegen könnte es immer so leicht sein, dachte Hanne Östergaard.
    Das Mädchen hatte den Kaffee fertig, den Kuchen mitten auf dem Tisch, die Form noch darüber, und als sie die Form hochhob, blieb nichts vom Kuchen an den Seiten der Form haften. Ein schöner Kuchen zur Fastenzeit.
    »Ich habe gelernt, die Form ordentlich zu fetten und mit Bröseln auszustreuen«, sagte sie.
    »Perfekt.«
    Sie hat auch gelernt, tüchtig zu süßen, dachte Hanne mit einem weichen und duftenden Bissen im Mund.
    Die Spüle war voller Karotten und mit Ei verschmierter Schüsseln. Das Mädchen hatte Mehl an der Nasenspitze, und Hanne Östergaard dachte wieder einmal, wie sehr sie ihrem Vater ähnelte; möge es beim Gesicht bleiben, möge die Versuchung sich auf einen Topfkuchen am Tag oder in der Stunde beschränken, wenn es denn sein mußte.
    Hanne Östergaard war mit einundzwanzig Mutter geworden, sie waren zusammengezogen, aber es hatte nicht länger als ein halbes Jahr gehalten. Sie entdeckten schnell, daß sie sich nicht kannten und sich nicht kennenlernen würden. Er zog aus und verließ die Stadt. Das Mädchen hatte seit zehn Jahren nichts von seinem Papa gehört. Vielleicht war er tot. Hanne konnte sehen, daß der Gedanke ihre Tochter quälte. Er quälte sie selbst. Sie versuchte, darüber zu reden, und Maria hörte zu, und bald würden alle Fragen noch einmal kommen. Die Topfkuchen waren eine Vorbereitung. Jetzt hörte Hanne die Sirene wieder, es klang, als käme sie vom Sankt Sigfrids Plan, ein Laut, der nicht lockerließ. Ganz Göteborg

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