Tanz mit dem Engel
Während des Winters war der Horizont an den meisten Tagen geschlossen, wie eine Mauer, die über das Meer gebaut wurde. An Morgen wie diesem war es möglich, durch sie hindurchzusehen, schwebend in Violett und dann in Blau. Die Stadt war wieder offen.
Er fuhr von der Brücke, dann weiter nach Westen ohne Ziel. Das Gefühl der Rastlosigkeit war noch da, nichts Fremdes für ihn, ein Gefühl, das in ihm geflüstert hatte, so lange er sich erinnern konnte, das ihn dazu gebracht hatte, aufzustehen und zu gehen und das in letzter Zeit, im letzten Monat deutlicher geworden war. er dachte, es könnte mit dem Kegel, der weich und stumpf von Martinas Bauch vorstand, zusammenhängen, es könnte mit dem Murkel zu tun haben, und er schämte sich wegen dieser Gedanken.
Bergenhem fuhr zum Frölunda Torg, wendete, ohne zu halten oder auszusteigen und fuhr durch den Gnistängstunnel zurück. In der Dunkelheit im Tunnel wurde ihm wie schwarz im Kopf, er mußte sich schütteln und blinzeln, als sich der Tunnel öffnete und die Schärfe des Himmels ihm in den Augen brannte. Jetzt empfand er eine plötzliche Furcht, wie ein Vorgefühl. Er fror und versuchte, die Heizung über das Maximum aufzudrehen. Er fuhr zurück über die Brücke und richtete den Blick starr geradeaus.
Das Taxi schleuderte auf der Höhe von Mölnlycke, fand wieder Halt auf der Außenspur, zischte am Flughafenbus vorbei, als ob die zwei Fahrzeuge eine Rallye Göteborg -Landvetter Airport verabredet hätten. Was im großen und ganzen genau das war, was sich hier abspielte. Zum Flugplatz fährt man, als ginge es um Sekunden, dachte Winter auf dem Rücksitz des Taxis. Ich habe es nicht eilig, aber der Fahrer kann nicht schnell genug vorankommen.
Das Telefon summte in der Innentasche des Sakkos. Er zog die Antenne heraus und meldete sich.
»Erik!«
Sie klang ein wenig atemlos, wie nach einer Joggingrunde zwischen Küchentisch und Kühlschrank.
»Bist du zu Hause?«
»Auf dem Weg zum Flugplatz.«
»Du bist so tüchtig, Erik.«
Er warf einen Blick auf den Chauffeur. Der Mann sah starr geradeaus, als spiele er mit dem Gedanken, auf die rechte Spur zu schwenken und gegen die Felswand zu fahren.
»Da reist du also auf deinen Dienstreisen dahin«, sagte sie.
»An den meisten Tagen gehe ich zwischen Vasaplatsen und Ernst Fontells Plats spazieren«, erwiderte er.
»Fontell... was?«
»Der Platz vor dem Polizeipräsidium. Der heißt Ernst Fontells Plats.«
»Ach so.«
»Da hast du meine Dienstreisen. Manchmal nehme ich das Fahrrad.«
»Heute nicht. Wohin geht die Reise?«
»London.«
»Das ist was anderes, auch wenn es eine unangenehme Reise ist.«
»Wir haben darüber gesprochen.«
Winter lauschte den Geräuschen der Verbindung, ein statisches Rauschen, in dem er Reste von Stimmen zu hören glaubte, Wortfragmente, die sich wie zu einer völlig neuen Sprache verflochten.
»Worum geht es?« fuhr er fort.
»Muß ich einen Grund haben, um meinen Sohn anzurufen?«
»Wir sind schon an der Abzweigung zum Flugplatz«, log er.
»Weil du fragst: Ich habe Karin angerufen. Sie hat gemeint, daß du so wunderbar zu ihnen warst.«
Winter sagte nichts.
»Sie hat auch gesagt, daß es Lasse sehr getroffen hat und sie erstaunt war, daß sie anscheinend besser als er damit fertig wird.«
Winter wartete auf die Fortsetzung. Das Auto wurde langsamer, der Chauffeur schwenkte nach rechts und erreichte die Abzweigung. Winter hörte ein fegendes hartes Geräusch von hinten und drehte sich um. Der Bus hatte sie eingeholt, war nun direkt hinter ihnen, als ob der Busfahrer zu einem wahnwitzigen Überholmanöver auf Höhe des Vorfahrtsschilds hundert Meter weiter vorn bereit wäre.
»Da gibt es viele Gefühle«, sagte Winter zu seiner Mutter.
»Was?«
»Da kommen jetzt viele Gefühle zum Vorschein, seit Per nicht mehr da ist. Über eine lange Zeit.«
»Idiot, verdammter Idiot«, schrie der Taxichauffeur plötzlich, mit einem wilden Ausdruck in Augen, die zuvor wie aus Porzellan gewirkt hatten. Der Chauffeur sah in den Rückspiegel, nicht auf Winter, der Blick galt vielmehr dem Bus hinter ihm, der heftig gebremst und wenige Zentimeter hinter dem Auto zu stehen gekommen war.
»Die sind nicht ganz bei Trost, die Idioten«, sagte er mit dem Spiegelblick auf Winter, »fahren hier heraus, als ob es nicht schnell genug gehen könnte.«
»Das sind wohl die Fahrpläne«, meinte Winter mit der Hand auf dem Telefon.
Der Chauffeur schnaubte als Antwort.
»Erik, was sagst du?« hörte
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