Tanz mit dem Engel
ausgeführt worden«, sagte er.
»Vielleicht.«
»Warum?«
»Warum sie bestellt sind? Kommerzielle Gründe. Ich glaube an die Sache mit den Filmen. Das dürfte ich eigentlich nicht, aber ich tu's trotzdem.«
»Wir haben keine Verbindung zwischen den Jungen gefunden«, sagte Winter.
»Nicht mehr, als daß sie vielleicht alle drei homosexuell oder bisexuell waren.«
»Aber auch das wissen wir nicht hundertprozentig.«
»Die Jungen bekamen keine Gelegenheit, ihre Veranlagung zu entfalten«, sagte Ringmar.
»Aber darin kann ein Zusammenhang liegen.«
»Vielleicht.«
»Und das kann der sein, der zu ihrem Tod führte, indirekt oder sehr direkt.«
»Das mußt du erklären.«
»Es war die Neugier auf etwas Heimliches oder Verbotenes, was sie dazu brachte, einen Fremden einzuladen«, sagte Winter.
»Es kann auch etwas anderes gewesen sein«, sagte Ringmar.
»Zum Beispiel?«
»Was würde dich dazu bringen mitzugehen?« fragte Ringmar.
»Viel Geld?«
»Nein.«
»Ein Filmvertrag?« »Nein.«
»Eine Menge Whisky?« »Nein.«
»Einer, den ich kenne.« »Ja.«
Sie saßen still da. Ein Engel ging durchs Zimmer.
»Ich spüre, daß sich mir die Haare sträuben«, sagte Winter.
»Einer, den sie kannten«, wiederholte Ringmar.
»Möglich«, sagte Winter, »aber ich habe meine Zweifel.«
Ringmar antwortete nicht, er dachte weiter, lauschte in das Gespräch von eben zurück.
»Ich glaube, es ist dieselbe Person«, sagte Winter. »Er ist hier und dort gewesen, und er ist auch jetzt hier oder dort. In Göteborg oder in London.«
»Wir suchen nach dieser Person in der Vergangenheit der Jungen«, sagte Ringmar. »Gibt es sie dort, finden wir sie.«
»Dort werden wir die Person nicht finden«, sagte Winter, »nicht in deren Vergangenheit.«
»Die Vergangenheit«, wiederholte Ringmar, »wo verläuft die Grenze?«
Winter antwortete nicht.
25
Der Junge wartete mit den andern. Keiner sagte etwas, alle waren mit sich beschäftigt. Die Türen öffneten sich, und er stieg ein in den Flughafenbus. Er war müde, und das waren auch die meisten andern um ihn herum.
Der Bus fuhr durch das Zentrum, und die Reisenden stiegen zu. Sie standen fröstelnd mit ihren Taschen am Rand des Parks. Einige Flughafenangestellte stiegen am Korsvägen zu. Die Uniformen hatten scharfe Bügelfalten, sie gaben ihren Trägern einen wachen Ausdruck, der aber die Augen nicht erreichte, als würde die Kleidung ihn aufhalten.
Draußen auf der Autobahn versuchte der Chauffeur, die Schallmauer zu durchbrechen. Der Junge hörte den Überschauknall nicht, er befand sich zwischen Schlaf und Wachsein, Ijahmans Reggae in den Kopfhörern.
Der Bus hielt vor dem Eingang zur Auslandshalle. Er griff seine Tasche und stieg aus. Es schneite wieder, Reisende rannten fast mit ihren Gepäckwagen vom Autoparkplatz.
Drinnen stiegen Stimmen wie ein schläfriger Bienenschwarm zur Decke. Vor den Abfertigungsschaltern der SAS standen alle und warteten. Das Personal machte sich fertig, und es gab eine kleine Bewegung in der Schlange. Es war Viertel nach sechs am Morgen. Der Junge war früh dran. Die SAS-Maschine nach London Heathrow sollte planmäßig um zehn nach sieben starten. Er hatte nicht gefrühstückt, hatte vorgehabt, vor dem Abflug eine Tasse Kaffee und ein Käsebrot zu kaufen.
Jetzt war er an der Reihe. Er hielt seine Tasche hoch, damit sie sie sehen konnte.
»Ist das Ihr Gepäck?«
»Nur das hier. Ich nehme es mit ins Flugzeug.«
Die Frau in Blau warf einen Blick auf die Tasche und nickte, kontrollierte die Flugkarte und den Paß.
»Wo möchten Sie sitzen?«
Er zuckte die Achseln. Es war ihm gleichgültig.
»Fensterplatz in der Mitte? Ist das recht?«
Er zuckte wieder die Achseln, und die Frau lächelte, sie zog eine Bordkarte aus der Maschine und übergab sie zusammen mit der Rückflugkarte und dem Paß.
»Angenehme Reise.«
In der Cafeteria sah er jemanden, den er kannte. Er hatte seinen Kaffee getrunken und die Stulle gegessen. Er hatte noch Zeit bis zum Abflug. Meist saß er da und guckte nach allen, die zwischen den Duty-Free-Läden hin und her gingen. Er hatte versprochen, seiner Mutter Parfüm zu kaufen, aber er hatte gesagt, er würde warten, bis er zurückflog. Er hatte den Zettel in der Brieftasche. Die mußten das Parfüm doch auch in London haben, wenn nicht, war es Mist.
Der, den er kannte, kam auf ihn zu. Der Junge schaltete Dr. Alimantado aus, als der Doktor vor dem Schuppen im Slum von Kingston stand und die Polizei in der Stadt
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