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Tanz mit dem Engel

Tanz mit dem Engel

Titel: Tanz mit dem Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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schlechtmachte. Die Musik hörte augenblicklich mit einem langgezogenen Schlußtakt auf. Er zog die Stöpsel aus den Ohren.
    »Auch unterwegs, wie ich sehe.«
    Der Junge nickte.
    »London«, sagte er.
    »Desgleichen. Aber nur einen Tag.« »Einen Tag? Hat das Sinn?«
    »Die wollen, daß ich irgendwelche Papiere hole. Als Kurier also.«
    »Es gibt doch die Post«, sagte der Junge, »den gewöhnlichen Postweg.«
    »Nicht für alles.«
    »Nee.«
    »Wie lange bleibst du dort?«
    »Eine Woche... glaube ich«, sagte der Junge.
    »Steht das noch nicht fest? Da wird man direkt neidisch.«
    Der Junge antwortete nicht, sonnte sich im Neid des andern. Das war wie ein zusätzlicher Reiz an der Reise, es noch einmal sagen zu können, ehe das Flugzeug aufstieg.
    »Bist du schon mal in London gewesen?«
    »Ja, aber nur einmal«, antwortete der Junge.
    »Hast du schon eine Unterkunft festgemacht?«
    »Dummerweise nein.«
    »Hast du ein paar gute Tips bekommen?«
    »Meine Alten reden von den Hotels in Bayswater von ihren Pauschalreisen, also wird es was dort sein, oder ich wohne in ein paar Hotels«, sagte der Junge. »Also in mehreren verschiedenen Hotels.«
    »Arbeitest du nicht?«
    »Ich studiere.«
    »Okay.«
    »Deshalb fliege ich eigentlich rüber oder damit ich einen Grund habe. Um Ausbildungsgänge abzuchecken, ich habe Unterlagen bekommen und will mit einigen Leuten sprechen. »An Instituten?« »Ja.«
    »Was willst du studieren?«
    Der Junge faltete die Serviette vor sich auf dem Tisch in immer kleinere Vierecke. Er warf einen Blick auf die Anzeigetafel, auf der nun die Aufforderung erschien, sich zum Gate zu begeben.
    »Vielleicht Englisch«, sagte er, »oder Design und Foto auf einer Schule, die ziemlich interessant zu sein scheint.« »Schwer reinzukommen?«
    »Weiß nicht, aber jetzt müssen wir wohl gehen, wenn wir mitgenommen werden wollen.«
    »Das hat keine Eile.«
    »Dann ist da noch die Musik«, sagte der Junge, während er nach seiner Tasche griff und Anstalten machte aufzustehen.
    »Die Musik?«
    »Ich stehe auf den neuen Reggae, deshalb habe ich gedacht, ich könnte runter nach Brixton fahren und ein bißchen was Neues kaufen und was von den alten Sachen finden, die hier nicht zu kriegen sind.«
    »Mhm.«
    »Ich habe mehrere Stellen im Netz gefunden.« »Plattenläden?«
    »Alles mögliche, Läden, Tanzlokale, Klubs. Klingt cool.«
    »Brixton? Ist das nicht weit?«
    »Ein Stück U-Bahn, mehr nicht. Guns of Brixton mit Clash. Mein Alter hat die. Hast du die mal gehört?«
    »Nein.«
    Sie gingen zum Gate 18, legten Pässe, Tickets und Bordkarten vor und gingen an Bord. Der Junge hob seine Tasche in das Fach über seinem Sitz und zwängte sich zum Fensterplatz durch.
    Er spannte den Sicherheitsgurt und sah durch die Scheibe hinaus. Die Bäume standen schwarz am Rand des Flugplatzes. Die Startbahnen waren ein Meer aus Beton.
    Der Schnee klebte am Fenster und wurde zu Wasser. Es kam eine Mitteilung, die sich um die Sicherheit drehte, aber er hörte nicht bis zum Schluß zu, schaltete Dr. Alimantado wieder ein und schloß die Augen, schlug den Takt mit der Hand auf dem Schenkel.
    Nach einer Weile fühlte er sich in den Sitz zurückgepreßt. Er öffnete die Augen und sah das Betonmeer draußen vorbeirauschen, wie graue Randstreifen vor einem durchsichtigen Hintergrund.
    Danach sah er nichts. Sie stiegen direkt durch die Wolken auf und waren bald darüber. Er versuchte sich zu erinnern, wann er zum letztenmal einen blauen Himmel gesehen hatte. Es war gar nicht so lange her, aber er war nicht so blau wie dieser hier gewesen. Das hier ist das Leben, dachte er.

26
    Die Rastlosigkeit saß wieder in ihm, er fühlte sie, als wartete sie im Zwerchfell, wie ein Wesen.
    Bin ich nicht reif für diese Familie, dachte er? Ist der Schritt zu groß, oder stimmt etwas anderes nicht?
    An diesem Abend hatte er den Murkel strampeln gespürt. Ihm war, als ob die Hand noch immer vibrierte. Mal klopfte sie vor Wärme, mal vor Kälte.
    Ich sitze in der Mittelhand, dachte er, als er merkte, wie sich seine Finger bewegten, ohne daß er sie steuerte. Man verlangt etwas von mir, und ich bin mir nicht sicher, was. Ich muß etwas daraus machen. Die kleine Zutat, dachte er, und machte etwas mit dem Gesicht.
    »Was gibt es?« fragte Martina und betrachtete ihn prüfend.
    »Nichts.«
    »Du hast eine Grimasse gemacht, als ob du an etwas Unangenehmes gedacht hättest.«
    »Die Arbeit.«
    »Was gibt es da?« fragte sie noch einmal.
    »Es sind nur die

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