Tanz mit dem Engel
von Männern und Frauen. Die Wand links von der Treppe war von einem graphischen Bild bedeckt, das eher in ein Weltraumlabor zu gehören schien als in ein Revier der regionalen Kriminalpolizei; von einem Zentrum liefen Tausende von Linien in alle Richtungen zu einem größeren Kreis. Das Bild sah aus wie ein Sonnensystem mit dem Planeten Erde in der Mitte.
Macdonald hatte es ihm am Vortag erklärt. Jeder Strich auf dem Bild war ein Gespräch von dem Telefon in der Mitte, vom Telefon eines Mordopfers. Sie arbeiteten an einem großen Fall im Drogenmilieu mit Verbindungen nach Westindien und in die USA. Gespräche kreuz und quer über London, Großbritannien, die westliche Hemisphäre.
Den Flur entlang lagen die Türen zu den Zimmern der Kommissare. Die übrigen Fahnder arbeiteten in zwei ziemlich großen Büros und in der offenen Landschaft, die am weitesten von der Treppe entfernt war. Hier hatte man die Schreibtische zu größeren Arbeitsflächen zusammengeschoben.
Überall Computer, Schreibmaschinen, Archivschränke,
Telefone, Stapel von Papier: Aussageprotokolle, ins reine geschriebene Notizen; Fotografien ragten aus den Stapeln, wie Schattierungen gegen das Weiß und Gelb. Alles vermittelte den Eindruck einer irgendwie altmodischen Tüchtigkeit, hatte Winter gedacht, es erinnerte ihn daran, wie es zu Hause ausgesehen hatte, als er in seinen Beruf eintrat... wenn man sich nur die Computer hinzudachte.
Das hier ist eine suggestivere Arbeitsweise, dachte Winter, als er auf dem Flur stand. Hier gibt es ein Gefühl von Anarchie und Freiheit und eine Nähe zu den Entscheidungen, die uns fehlt. Wir sitzen nicht dicht genug aufeinander in der Festung an der Skänegatan.
Macdonald hatte es mit sich selbst ziemlich eng in seinem Zimmer, zehn Quadratmeter, Berge von Dokumenten, Telefone, schwere Schutzausrüstung, eingeklemmt hinter der Tür, wo sie im Notfall unmöglich zu erreichen wäre, die Dienstwaffe in ihrer abgenutzten Lederhalfter auf dem Schreibtisch. Das englische Licht rieselte durch die Jalousien und malte Streifen auf Macdonalds Gesicht.
»Möchten Sie Tee?« fragte er.
»Ja, gern.«
Macdonald ging hinaus auf den Flur und sagte etwas, das Winter nicht verstand, zu jemandem, den er nicht sah. Der Kollege kam zurück, setzte sich auf seinen Stuhl und zeigte mit der Hand auf den Besucherstuhl, der wacklig war, Winters Gewicht aber am Vortag ein Weilchen ausgehalten hatte.
»Der Tee kommt«, versprach Macdonald.
»In Göteborg müssen wir ihn selbst holen«, sagte Winter.
»England ist immer noch eine Klassengesellschaft, die Schwachen holen Tee für die Starken.«
»Wir befinden uns auf dem Weg zurück in diese Zeit, das weltberühmte schwedische Modell paßt nicht mehr.«
»Sie machen nicht den Eindruck eines Klassenkämpfers.«
Eine jüngere Frau, wie eine Kellnerin in weißer Bluse und schwarzem engem Rock, kam mit einem Tablett herein. Darauf standen Teetassen aus weißem Porzellan, eine weiße Kanne, eine Zuckerschale und eine Milchtüte. Macdonald dankte ihr und bat sie, das Tablett auf den Tisch zu stellen, nachdem er einen Haufen Formulare beiseite geschoben hatte. Sie stellte den Tee ab, lächelte Winter an und ging hinaus.
»Sehen alle Kriminalpolizisten in Schweden wie Sie aus?« fragte Macdonald und hob eine Tasse in Winters Richtung.
»Nur auf Dienstreise.«
»Hier kommen wir, wie wir sind, und in dieser Gegend ist das wohl am besten. Dieses Revier hat eine sehr gute Lage, und wie Sie gesehen haben, sind wir nicht so sehr daran interessiert, mit unserer Tätigkeit hausieren zu gehen. Wir sind hier unter uns, aus dem Weg, wir kommen nach der Arbeit draußen im Smog immer so schnell wie möglich hierher zurück. Hier haben wir unsere Computer. Hier denken wir und reden miteinander.«
»Und beantworten das Telefon.«
Winter hatte das gerade gesagt, als das Telefon vor Macdonald läutete. Er meldete sich, murmelte eine halbe Minute hinein und legte auf.
»Hilliers Eltern haben morgen für uns Zeit.«
»Gut.«
»Das werden wir sehen.«
»Kann man die Gegend hier, in der Sie arbeiten, irgendwie beschreiben. das südöstliche Viertel von London. gibt es irgendwas Allgemeines zu sagen?«
»Nein«, antwortete Macdonald, »nicht mehr, als daß es um so angenehmer wird, je weiter man sich von London entfernt. Weniger Verbrechen, schönere Häuser, nettere Menschen. Es ist nicht so übel in Croydon, hier gibt es ein großes Stadtzentrum, wo Geld in Umlauf ist, aber gerade hierherum ist
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