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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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mich zu besinnen. Doch obwohl ich angestrengt nachdachte, fiel mir nichts dazu ein.
    »Schon gut, vergiss es«, sagte sie kopfschüttelnd. Dann ließ sie sich aufs Sofa fallen, rückte an ihrer Brille und starrte mich an. »Du siehst ja furchtbar aus!«
    »Kann ich mir vorstellen«, erwiderte ich.
    »Ganz grün im Gesicht und völlig verquollen. Hast du Fieber? Alles in Ordnung mit dir?«
    »Alles okay. Mir fehlt nur etwas Schlaf. Keine Sorge. Ich bin eigentlich sehr robust«, sagte ich. »Hast du Pause?«
    »Ja«, antwortete sie. »Ich wollte dich sehen. Irgendwie war ich neugierig. Aber wenn ich störe, gehe ich gleich wieder.«
    »Nein, du störst nicht«, beruhigte ich sie und setzte mich aufs Bett. »Ich bin zwar todmüde, aber du störst mich nicht.«
    »Du wirst doch wohl nichts mit mir anstellen?«
    »Aber nein.«
    »Das behaupten alle, und dann tun sie es doch.«
    »Mag sein, dass alle das tun. Ich aber nicht «, erwiderte ich.
    Sie überlegte kurz und presste dann leicht ihre Finger gegen die Schläfen, als überprüfe sie das Resultat. »Wahrscheinlich hast du Recht. Ich weiß, du bist schon anders«, sagte sie.
    »Ich bin viel zu müde, um jetzt etwas anzustellen«, fügte ich hinzu.
    Sie stand auf und zog ihren hellblauen Blazer aus, den sie wie am Tag zuvor ordentlich über die Stuhllehne legte. Dieses Mal setzte sie sich jedoch nicht zu mir auf die Bettkante, sondern ging zum Fenster, wo sie stehen blieb und in den grauen Himmel starrte. Vielleicht, weil ich nur mit einem Bademantel bekleidet war und noch dazu so mies aussah. Na meinetwegen. Es gab schließlich Gründe dafür. Man lebt ja nicht nur zu dem Zweck, auf andere einen blendendem Eindruck zu machen.
    »Hör mal«, begann ich. »Ich habe es zwar schon mal gesagt, aber ich finde, es gibt zwischen uns einige, wenn auch nur geringfügige Gemeinsamkeiten.«
    »So?«, sagte sie ungerührt. Eine halbe Minute herrschte Stille. »Und was, bitte schön?«, fragte sie.
    »Zum Beispiel …«, fing ich an, doch meine mentalen Aktivitäten waren vollständig lahm gelegt. Mir fiel nichts ein. Kein einziges Wort kam mir in den Sinn. Kein zum Beispiel und kein deswegen. Vielleicht war es ja bloß ein Gefühl, dass wir eine kleine Gemeinsamkeit hatten.
    »Ich weiß auch nicht«, sagte ich. »Ich muss in meinem Kopf erst ein bisschen Ordnung schaffen. Methodisches Denken. Erst ordnen, dann bestätigen.«
    »Das ist ja wirklich ein Ding«, sagte sie gegen die Fensterscheibe. Es klang zwar nicht sarkastisch, aber auch nicht begeistert. Einfach ungerührt. Neutral. Ich kroch ins Bett, lehnte mich ans Kopfende und beobachtete sie. Ihre knitterfreie weiße Bluse. Der dunkelblaue enge Rock. Die schlanken Beine in Nylonstrümpfen. Auch sie waren grau getönt. Wie auf einer altmodischen Fotografie. Wirklich, ein wundervoller Anblick. Ich hatte das Gefühl, mit etwas verbunden zu sein. Ich bekam sogar eine Erektion.
    Auch nicht schlecht, dachte ich. Grauer Himmel, hundemüde und eine Erektion um drei Uhr nachmittags.
    Ich betrachtete sie ziemlich lange. Auch als sie sich zu mir umwandte, schaute ich sie weiterhin an.
    »Wieso starrst du mich so an?«, fragte sie mich.
    »Ich bin eifersüchtig auf deinen Schwimmverein«, sagte ich.
    Sie schüttelte leicht den Kopf und lächelte. »Du bist verrückt.«
    »Gar nicht«, erwiderte ich. »Bloß ein bisschen durcheinander. Ich muss nur meine Gedanken ordnen.«
    Sie kam auf mich zu und fühlte meine Stirn.
    »Fieber scheinst du nicht zu haben«, sagte sie. »Schlaf dich aus. Und träume süß.«
    Ich wünschte mir, dass sie bei mir bliebe. Dass sie die ganze Zeit, während ich schlief, neben mir säße. Aber das war natürlich Quatsch. Darum sagte ich nichts und schaute wortlos zu, wie sie den hellblauen Blazer überzog und aus dem Zimmer schlüpfte. Kaum hatte sie das Zimmer verlassen, trat erneut der graue Monsteraffe mit seinem Hammer ein. »Alles klar. Ich kann auch so einschlafen«, wollte ich gerade sagen, doch die Worte blieben mir im Hals stecken. Und schon setzte es einen neuen Schlag.
    »Was kommt nach 25?«, fragte mich jemand. »71«, gab ich zur Antwort. »Er ist eingeschlafen«, sagte der graue Affe. Kein Wunder, dachte ich. Wenn einer so heftig zuschlägt, muss man ja wegtreten. Koma wäre eigentlich das passendere Wort dafür. Und dann herrschte nur noch Dunkelheit.

13
    Knoten, dachte ich.
    Neun Uhr abends. Ich aß allein, nachdem ich um acht aus einem tiefen Schlaf hochgeschreckt war, genauso abrupt, wie ich

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