Tanz mit dem Schafsmann
lachend.
Ich bin kein verschrobener Typ.
Da bin ich mir ganz sicher.
Vielleicht kann man mich nicht gerade als durchschnittlich bezeichnen, aber verschroben bin ich nicht.
Eigentlich bin ich ein grundanständiger Kerl. Extrem geradlinig. Geradlinig wie ein Pfeil. Mein Dasein ist notwendig und äußerst natürlich. Eine selbstverständliche Tatsache, wenn man so will. Es kümmert mich wenig, wie andere meine Existenz empfinden. Was andere von mir halten, ist ein Problem, das nichts mit mir zu tun hat. Es ist vielmehr deren Problem, nicht meines.
Manche halten mich für einfältiger, als ich wirklich bin. Andere wiederum für berechnender. Doch das ist mir egal. Der Komparativ als ich wirklich bin bezeichnet lediglich eine Nuance meines Selbstbildes. Für gewisse Leute bin ich möglicherweise wirklich einfältig oder wirklich berechnend. Mir ist das ziemlich egal. Das ist nicht weltbewegend. Es gibt meines Erachtens keine Missverständnisse. Nur unterschiedliche Auffassungen.
Auf der anderen Seite kenne ich aber auch Personen – Männer und Frauen –, die sich von meiner Redlichkeit angezogen fühlen. Es sind äußerst wenige, aber es gibt sie. Zweifellos. Wie Planeten kreisen wir im dunklen All, naturgemäß voneinander angezogen, um dann wieder auseinander zu driften. Sie kommen zu mir, gehen eine Beziehung mit mir ein, bis sie mich eines Tages wieder verlassen. Sie werden Freunde, Geliebte und vielleicht sogar Ehepartner. Manchmal werden sie auch zu Gegnern. Aber was immer sie sind, irgendwann gehen sie fort. Sie sind resigniert, verzweifelt oder stumm (selbst wenn man den Hahn aufdreht, kommt nichts heraus), und dann gehen sie fort. In meinem Zimmer gibt es zwei Türen. Einen Eingang und einen Ausgang. Sie sind nicht austauschbar. Durch den Eingang kann man nicht hinaus, durch den Ausgang nicht hinein. Das ist so festgelegt. Die Leute kommen durch den Eingang herein und gehen durch den Ausgang hinaus. Es gibt viele Arten zu kommen und zu gehen. Dennoch, irgendwann verlassen mich alle. Manche gehen, um neue Möglichkeiten auszuprobieren, andere, um Zeit zu sparen. Manche sind gestorben. Keiner ist da geblieben. Es gibt niemanden hier im Zimmer. Außer mir. Ich nehme permanent ihre Abwesenheit wahr. Von allen, die mich verlassen haben. Ihre gesprochenen Worte, ihre Atemzüge, ihre gesummten Lieder schweben durchs Zimmer wie Staubflocken in den Ecken.
Ich habe das Gefühl, dass ihr Bild von meiner Person doch ziemlich präzise war. Eben deshalb kamen sie geradewegs zu mir, um mich schließlich wieder zu verlassen. Sie erkannten meine Anständigkeit, erkannten meine typische Aufrichtigkeit – ein anderer Ausdruck fällt mir leider nicht ein –, mit der ich meine Anständigkeit zu bewahren suchte. Sie wollten mir etwas sagen, mein Herz öffnen. Es waren meist sehr warmherzige Menschen. Doch ich konnte ihnen nichts geben. Und selbst wenn, dann reichte das nicht aus. Ich habe mich immer bemüht, ihnen mein Möglichstes zu geben. Was ich konnte, habe ich getan. Ich habe auch an sie Erwartungen gestellt. Und am Ende ist es doch schief gelaufen. Sie haben mich verlassen. Das war natürlich bitter.
Aber noch bitterer war, dass sie beim Hinausgehen viel trauriger aussahen als beim Hereinkommen. Das ist mir nicht entgangen. Es mag komisch klingen, doch sie wirkten oft weitaus kaputter als ich. Wieso eigentlich? Und weshalb bleibe ich immer übrig? Mit dem Schatten eines Geschädigten. Schwer zu sagen, woran es lag.
Die Angaben sind unvollständig.
Deshalb kommt nie eine Antwort zurück.
Etwas fehlt.
Als ich eines Tages nach einem Geschäftstermin nach Hause kam, fand ich eine Postkarte in meinem Briefkasten. Abgebildet war ein Astronaut, der in einem Weltraumanzug auf dem Mond umherspazierte. Es stand zwar kein Absender darauf, aber ich wusste sofort, von wem die Karte stammte.
»Wir sollten uns besser nicht mehr sehen«, schrieb sie. »Ich werde wahrscheinlich in Kürze einen Erdbewohner heiraten.«
Ich hörte, wie die Tür ins Schloss fiel.
Wegen unvollständiger Angaben nicht zu beantworten. Bitte drücken Sie die Löschtaste!
Der Bildschirm ist leer.
Wie lange soll das noch so weitergehen? Ich bin bereits vierunddreißig. Wie lange noch? Ich war traurig. Es war ganz klar meine Schuld. Dass sie sich von mir trennen würde, war gewissermaßen vorprogrammiert. Das war mir von Anfang an klar. Sie wusste es, ich wusste es. Und trotzdem hatten wir offenbar ein kleines Wunder erwartet. In der Hoffnung,
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