Tanz mit dem Teufel
Es war mein eigener Wunsch, meine eigene Entscheidung. Walter hat das verstanden. Aber ich bin erschrocken darüber, was die Arbeit aus mir gemacht hat. Ich kann mich selbst nicht mehr leiden.«
»Dann steig aus! Wo du den Job doch jetzt finanziell nicht mehr nötig hast.«
»Die Sache ist komplizierter.«
»Ich versteh dich einfach nicht«, sagte sie entnervt. »Wieso willst du weitermachen, wenn du dich nur schlecht dabei fühlst?«
»Es ist schwer zu erklären. Ich habe Angst, dass ich nicht der Mensch bin, für den ich mich immer gehalten habe. Vielleicht haben Walter und Dee das erkannt. Dee ist davor weggelaufen, und Walter hat es sich zunutze gemacht.«
»Du bist ein guter Mensch, David. Ich kenne keinen besseren. Walters Tod war ein schwerer Schlag für dich, du bist noch völlig von der Rolle. Du darfst jetzt nichts überstürzen. Oder hast du noch etwas anderes auf dem Herzen? Was ist passiert, David?«
»Ich weiß nicht mehr, wer ich bin. Davor kann ich nicht länger die Augen verschließen. Ich muss mir darüber klar werden, sonst wird es mich ewig verfolgen. Und das geht nur, wenn ich mich alleine da durchkämpfe.«
Sie umschloss sein Gesicht mit den Händen.
»Du hast doch etwas, David. Sag mir, was passiert ist.«
»Es ist weiter nichts. Höchstens eine kleine Midlife-Crisis.«
»Ich bin für dich da. Das weißt du. Aber du musst mit dir ins Reine kommen. Aus uns kann nur etwas werden, wenn du dich aus freien Stücken dafür entscheidest.«
Schweigen. Lange sah sie forschend auf ihn hinunter. Dann ließ sie sich zurücksinken.
»Das ist das Ende, nicht wahr?«
»Ich verkriech mich nur für eine Weile in Woodland Hills.«
»Dann willst du nicht Schluss machen?«
»Nein, ich muss nur ein bisschen allein sein.«
»Aber sicher.«
»Am Sonntag bin ich wieder zurück, dann reden wir in Ruhe darüber. Bis dahin hab ich noch was zu erledigen.«
»Es ist aber keine andere Frau im Spiel, oder?«
»Ich wünschte, es wäre so einfach.«
»Ich liebe dich«, sagte sie.
»Auf dem Gebiet bin ich ein Versager.«
»Ich dachte, ich könnte dir helfen«, sagte sie, »aber anscheinend habe ich mich dabei nicht besonders geschickt angestellt. Hör mal, ich bin nicht Dee. Ich bin ein harter Knochen und kann was aushalten. Um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
»Die mach ich mir aber. Das ist es ja eben.«
68
Der Dachboden seines Hauses in Woodland Hills stand voller Umzugskartons. Ein paar hatte Dee mitgenommen, aber die restlichen Sachen gehörten ihm. Die Daten und Stichworte auf den Kartons würden wahrscheinlich die einzige Autobiografie bleiben, die er je zustande bringen würde. Er war weniger ein Sammler als ein Hamsterer. Sammeln setzte irgendeine Art von Ordnung oder Absicht voraus, doch in Spandaus Leben gab es weder das eine noch das andere. Es war genauso ein Zufallsprodukt wie der Inhalt der Kisten.
Er stapelte sie von hier nach da, öffnete die eine oder andere und sah hinein. Seine Suche glich einer archäologischen Erkundung. Immer tiefer arbeitete er sich durch die Schichten der Vergangenheit. Army, College, Highschool. Fotos von seinen Eltern, seiner Schwester, von Bekannten und Verwandten, an die er seit Jahren nicht mehr gedacht hatte. Und zuletzt wurde er fündig.
Er machte sich ein Bier auf und ging in den Garten. Neben dem Teich lag mal wieder eine zerfledderte Goldfischleiche. Doch statt der üblichen Wut überkam ihn diesmal eine tiefe, lähmende Traurigkeit. Er ließ sich auf einen Gartenstuhl fallen und starrte ins Wasser. Zum ersten Mal gab er nicht den Waschbären die Schuld an dem Desaster. Warum hatte er das nicht schon längst begriffen? Nicht die kleinen Räuber waren die Quelle allen Übels, sondern er selbst. Die Tiere verhielten sich nur ihrer Natur entsprechend, auch wenn der Mensch es als blutrünstig und störend empfand. Sosehr man auch tobte und wütete, sooft man auch Löcher in die Luft schoss, um sie zu vertreiben, ihr Verhalten würde man doch nie ändern. Nein, er selbst war schuld an dem Massaker. Wie viele Fische hatten seinetwegen ihr Leben verloren? Vielleicht ein Dutzend in den letzten zwei Jahren? Und wer hatte sie in den Teich gesetzt? Spandau. Er hatte sie den Raubtieren zum Mitternachtsfraß vorgeworfen, weil er zu dumm und arrogant war, einen Kampf aufzugeben, der von vornherein verloren war.
Er musste endlich seinen Frieden mit der Welt machen. Sei es nun wegen der Fische, wegen Dee und Anna, wegen Pookie und Leo oder wegen der
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