Tanz mit dem Teufel
glatt zum Mörder werden.«
»Na komm, meine kleine bestäubte Blüte. Ich mach dir ein schönes Glas Ovomaltine. Und vielleicht finden wir ja irgendwo auch noch ein paar Hühner.«
Arm in Arm gingen sie ins Haus.
»Oscar-Preisträgerin? Dass ich nicht lache«, sagte Anna. »Da hätten die erst mal meinen Auftritt von heute Abend sehen sollen!«
71
Pookie, Leo und Tina waren bereits im Büro, als Spandau am Montagmorgen durch die Tür kam. Er wusste selbst nicht recht, was er erwartet hatte, aber es war genau wie an jedem anderen Arbeitstag. Kurzes Aufblicken, flüchtige Begrüßung. Umso besser. Ein nahtloser Übergang ohne Brimborium. Sie waren schließlich alle Profis. Pookie trug sogar ein seriöses Kostüm.
»Ich komm nicht drauf«, sagte Spandau. »Wen stellst du denn heute dar?«
»Ach«, winkte sie ab. »Das ist doch bloß ein Kostüm.«
Als er sein Büro betrat, hätte ihn fast der Schlag getroffen. Ein Wald von Kerzen, Rosenblätter lagen überall verstreut. Sie hatten seinen Schreibtischstuhl auf Ziegelsteinen aufgebockt und mit goldgesäumtem Samt drapiert. Darüber hing auf Kopfhöhe ein Lorbeerkranz von der Decke. Der Schreibtisch selbst war zum Buffet umfunktioniert worden. In der Mitte prangte ein Spanferkel mit einem Apfel in der Schnauze und einer Karte zwischen den Pfötchen: »Willkommen daheim, du alter Halunke. Julien.«
»Besteige deinen rechtmäßigen Thron, o großer Cäsar!« Pookie stand in der Tür, in ein Laken gewickelt wie in eine Toga. Spandau kletterte auf den Stuhl, während Leo und Tina, ebenfalls in Betttücher gehüllt, hereinmarschiert kamen und sich unter »Ave, Cäsar!«-Rufen vor ihm verbeugten. Grinsend bauten sie sich in einer Reihe vor ihm auf.
»Nenne uns dein Begehr, Gebieter«, katzbuckelte Leo.
»Wünschest du Zuckerwerk aus meiner zarten Hand zu kosten?«, säuselte Tina verführerisch.
»Pell mir ’ne Traube«, grinste Spandau.
Tina steckte ihm eine Weintraube in den Mund. Er klatschte in die Hände.
»Und nun herein mit den Zwergen, Hofnarren und Tänzerinnen«, befahl er.
»Ach«, sagte Tina. »Also alles wie immer?«
»Alles wie immer.«
Leo und Tina schälten sich aus ihren Gewändern und gingen hinaus. Pookie blieb.
»Es ist doch wahr? Du machst es wirklich?«
»Ja.«
»Nicht, dass ich nicht vor Freude im Quadrat springe, aber ich würde zu gern wissen, wieso du dich doch noch dazu durchgerungen hat. Als du reingekommen bist, kamst du mir eher vor wie General MacArthur vor dem Abschied von seiner Truppe.«
»Warum ich den Job übernehme? Weil er da ist.« Spandau lehnte sich zurück und legte die Füße auf den Schreibtisch. »Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss.«
Pookie lachte. Sie liebte solche Spielchen.
»Okay, das erste ist ein Zitat von George Mallory, seine Antwort auf die Frage, warum er den Mount Everest besteigen will. Das zweite soll wohl aus Zwölf Uhr mittags sein, aber ich bin mir fast sicher, dass es sich dabei um eine falsche Zuschreibung handelt. Das müsste ich nachsehen.«
»Cleveres Kerlchen.«
Spandau warf ihr eine Traube zu. Sie schob sie in den Mund, kaute versonnen.
»Du hattest keinen Schimmer, stimmt’s?« Sie zwinkerte ihm zu. »Das war eine völlig spontane Entscheidung. Bis vor ein paar Minuten hast du überhaupt noch nicht gewusst, wo die Reise hingehen würde.«
»Tja, Kleine, so führt eben eins zum anderen. Stille Wasser sind tief. Der Prophet gilt nichts im eigenen Land.«
»Und wer hat das gesagt?«
»Ich, jetzt gerade. Da siehst du’s. Wahre Weisheit kommt von innen.«
»Schwachsinn«, sagte Pookie. »Du trägst deine Gefühle doch auf dem Präsentierteller vor dir her. Sieh mich nicht so an. Darum können wir dich ja auch alle so gut leiden.«
Die Hände artig auf dem Rücken verschränkt, kam sie lächelnd um den Schreibtisch herum, beugte sich vor und gab ihm ein züchtiges Küsschen.
»Aber das bleibt schön unter uns, nicht wahr?«
In der Tür blieb sie noch einmal stehen und warf ihm einen finsteren Blick zu.
»Und wenn du mich jemals wieder Kleine nennst, bist du ein toter Mann.«
Sie schüttelte sich und entschwand.
Pookie hatte recht, wie immer. Als er heute Morgen ins Büro gekommen war, hatte er tatsächlich noch nicht gewusst, dass er die Firma übernehmen würde. Im Gegenteil, nachdem er die ganze Nacht hin und her überlegt hatte, war er eigentlich entschlossen gewesen, den Laden dichtzumachen. Doch dann hatte er seine Entscheidung urplötzlich über den Haufen
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