Tanz mit dem Teufel
geworfen. Fragte sich nur, warum.
Spandau betrachtete das Spanferkel, das traurig zu ihm aufsah. Wahrscheinlich war es sein Anblick gewesen, der ihn umgestimmt hatte. Es sah so lächerlich aus, da mitten auf dem Schreibtisch, dass er sich ihm unwillkürlich verbunden fühlte. Sie gehörten beide nicht hierher, und doch waren sie beide hier gelandet. Er musste an eine Wildschweinjagd denken, auf die sein Onkel Jim ihn einmal mitgenommen hatte. Er war damals zehn gewesen. Er hatte ihn irgendwie aus den Augen verloren und sich heillos verlaufen. Als der Onkel ihn schließlich fand, hockte er heulend auf einem Stein. Nachdem Jim ihn erleichtert in die Arme genommen hatte, haute er ihm ein paar hinter die Löffel und erklärte ihm, dass man nicht wie ein Idiot in der Gegend rumrennt, wenn man nicht weiß, wo man ist, sondern sich hinsetzt und wartet, bis man gefunden wird. Meistens würde nämlich jemand nach einem suchen.
Als Auslöser für eine lebenswichtige Entscheidung war das vielleicht etwas dürftig, aber mehr hatte er leider nicht zu bieten. Verwirrt und verloren, wie er war, erschien es ihm als das Beste, einfach abzuwarten und auszuharren, bis sich irgendwas ergab. Während er das Spanferkel und Juliens Karte ansah, dachte er an Tina und Leo in ihren Togen, an Pookies Kuss, an Dee und Anna und einen toten Freund, der ihn besser kannte als er sich selbst und der ihm eine Entscheidung aufgezwungen hatte, für die er immer zu feige gewesen war. Und langsam dämmerte ihm, dass das Warten in der Wildnis vielleicht ein Ende hatte.
Allmählich hörte er die Telefone wieder klingeln, die Post kommen, das übliche Hin und Her. Es klopfte, Tina steckte den Kopf zur Tür herein, sagte »Huntley im Besprechungszimmer«, und machte die Tür wieder zu. Spandau gönnte sich noch ein paar Minuten, um sein neues Reich auf sich wirken zu lassen. Es gab weiß Gott Schlimmeres – zum Beispiel, allein und verlassen zu sein. Er holte tief Luft. Gleich würde er von seinem Thron herabsteigen, sich mit Lanze und Schild bewaffnen, beherzt in die Welt hinausziehen und dem wahren Leben die Stirn bieten. Vorher aber würde er zum Telefon greifen, um Anna zu sagen, dass er nun wirklich nach Hause kam.
EPILOG
… spätestens am Ende des dritten Akts abgefeuert worden sein muss.
E in pipileichter Job, hatte es geheißen, unten in Compton. Die Lagerhalle von irgendeinem stinkenden Kameltreiber, Import-Export, voll mit Teppichen und anderem Gerümpel. Es ging mal wieder um einen PC . Die Frau von dem Scheich wollte sich scheiden lassen, und dafür brauchte sie die Buchhaltungsdateien, das schlaue Luder, damit er sie nicht übern Tisch ziehen konnte, was er garantiert vorhatte.
Das Schloss war kein Problem, sie hatte ihm den Code von der Alarmanlage rüberwachsen lassen. Drinnen ging’s dann ein paar Meter geradeaus, die Eisentreppe hinauf, ins Büro auf der Galerie. Lief alles wie geschmiert. Im Büro gab es bestimmt irgendwo ’nen Kaffeebecher. In den würde er reinwichsen.
Captain Midnight war schon fast am Fuß der Treppe, als auf einmal das Licht anging.
Ja, fick die Henne.
»Überraschung!«
Oben auf der Galerie stand Malo vor der geschlossenen Bürotür.
»Was willst du denn hier, du schwarzes Arschgesicht?«, schnauzte Captain Midnight.
Mit einem bedauernden Kopfschütteln drückte Malo die Tür auf. Zwei Mastiffs schossen heraus und schnurstracks die Treppe runter.
»Lasst mich ja nicht hängen, Jungs«, sagte Malo.
Als die massigen Kampfhunde auf Deets zugerast kamen, erstarrte dessen Gesicht zu einer Maske des Grauens. Wie eine Comicfigur, mit förmlich in der Luft rotierenden Füßen, versuchte er, den Ausgang zu erreichen. Auf halbem Weg holten die Hunde ihn ein, genau so, wie Malo es sich all die Wochen ausgemalt hatte.
Nachdem sie Deets zu Fall gebracht hatten, gab es für ihn kein Entrinnen mehr. Riesige, reißende Bestien. Er wurde hin und her geschleudert wie eine Stoffpuppe, während sie an ihm herumzerrten. Ihm blieb nicht mal mehr Zeit, sein Schandmaul aufzureißen.
Für Malo ein zusätzliches Sahnehäubchen.
Langsam kam er die Treppe herunter und schlenderte gemächlichen Schrittes zu der Stelle, wo Deets in seinem Blut lag. Der eine Hund hatte sein ganzes Knie im Maul, der andere zerkaute ihm gerade die Gurgel. Malo sah ihnen genüsslich bei der Arbeit zu.
»Wuff, wuff, du Arsch«, sagte er schließlich.
Und fuhr nach Hause.
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