Tanz mit mir - Roman
mich den Magazinen und Zeitschriften zufolge eigentlich in der besten Zeit meines Lebens befinden.
Ross war vor der Informationstafel stehen geblieben und studierte die Angebote. Katie bemerkte, dass seine Jeans mit Plakatfarbe besprenkelt war und gar nicht mehr designermäßig aussah. Sie erinnerte Katie allein daran, dass er die Wäsche nie ordentlich sortierte.
»Wie wäre es hiermit?«, fragte er und deutete auf eine handgeschriebene Anzeige.
»Womit?«, erwiderte sie und fühlte sich nicht einmal in der Lage, genügend Interesse zu heucheln.
»Singen.« Er ließ ein tapferes, künstliches Lächeln auf blitzen, wie er es auch Hannah gegenüber aufsetzen würde. »Tritt in den Chor ein. Keine Karaoke-Erfahrungen benötigt.«
»Singen? Ernsthaft? Nein, danke.«
»Töpfern vielleicht?«
Katie verzog das Gesicht.
»Musst du so negativ sein?«, beschwerte sich Ross. »Die Hauptsache ist ja wohl, dass wir etwas ausprobieren, das keiner von uns schon mal gemacht hat.«
»Tut mir leid.« Katie gab sich einen Ruck. »Wie wäre es mit einem …« Ihr Blick wanderte über das Durcheinander aus Kinder-Gymnastikkursen und Treffen der Anonymen Alkoholiker. »… Tanzkurs? Er beginnt morgen.«
Ross betrachtete die Anzeige genauer. Im Gegensatz zu den anderen Werbezetteln war dieser hier ordentlich und mit einem Computer gestaltet worden; an den Ecken funkelte silberner Glitzer. Die grellen Lichtröhren verliehen der Anzeige einen hübschen, fast animierten Anblick. »Tanzkurs. Uhh.«
»Du müsstest allerdings auf den Tanzlehrer hören, anstatt dich einfach treiben zu lassen, sodass ich dir dann hinterher wieder alles erklären muss«, fügte sie gereizt hinzu, bevor sie die Bemerkung hinunterschlucken konnte.
Ross vergrub das Gesicht in seiner großen, bleichen Hand. »Mein Gott, Katie, warum versuchst du eigentlich andauernd, mit Gewalt einen Streit vom Zaun zu brechen?« Er ließ die Hand sinken und sah Katie mit ernstem Blick an. »Hör zu. Ich weiß, dass die Therapie deiner Meinung nach eine reine Zeitverschwendung ist, aber mir ist es wirklich ernst damit. Wir machen gerade eine harte Zeit durch, aber wir müssen es einfach versuchen! Allein schon der Kinder wegen. Lass uns an dem Tanzkurs teilnehmen! Aber denk dran: Nur unter der Voraussetzung«, fügte er hinzu und hob die Augenbrauen, »dass wir ausschließlich Tänze lernen, bei denen ich keine engen Satinhosen oder diese schicken Netz-Shirts tragen muss wie im Fernsehen. Auf diesen Anblick ist die Welt noch nicht vorbereitet.«
»Satinhosen und Netz-Shirt – für dich oder für mich?«, fragte sie regungslos.
»Für uns beide.« Er hielt inne. »Obwohl ich ja, wie du weißt, schon immer etwas für Olivia Newton-John aus Grease übrighatte. Wenn du also unbedingt darauf bestehst, diese engen Satinhosen zu tragen …«
Der Versuch war ein wenig lahm, doch Katie wusste die Mühe zu schätzen, die er sich gab. Sie wünschte sich nur, dass Ross’ Versuche nicht so plump und offensichtlich waren.
»Okay«, sagte sie und kapitulierte. »Dann also der Tanzkurs.«
»Toll. Das wird schon nicht allzu schlimm werden!« Ross notierte sich flüchtig die Details und schaute dann mit einem hoffnungsvollen Lächeln von seinem Notizbuch auf. »Komm schon. Wir wollen doch nicht Gemma das Geld für eine dritte Stunde geben, oder?«
Schweigend eilten sie den hallenden Korridor hinunter.
»War die Sitzung so schlimm, wie du sie dir vorgestellt hattest?«, fragte Katie schließlich.
»Sie war genau so, wie ich sie mir vorgestellt hatte«, antwortete Ross stoisch. »Eben nicht einfach. Aber du weißt schon … Nichts Wichtiges ist einfach. Ich will die Sache wirklich in Ordnung bringen«, erklärte er, blieb stehen und nahm plötzlich ihre Hand. »Ich wünsche mir sehr, dass wir wieder dahin zurückkommen, wo wir einmal waren.«
Aber ich weiß nicht, ob ich das kann , dachte Katie. Ich weiß ja nicht einmal, ob ich das überhaupt will!
»Vieles hat sich verändert.«
»Aber vieles ist auch gleich geblieben!«, antwortete Ross beharrlich, und eine ganze Weile lang starrten sie einander an. »Und wir haben so viel dazugewonnen! Denk doch bloß einmal an all die Dinge, die wir erreicht haben und von denen wir nur träumen konnten, als wir uns kennengelernt haben, Katie!«
Ein Hypothekendarlehen. Fettpölsterchen. Die Fähigkeit, Sex zu haben, ohne dabei aufzuwachen. Die zunehmende Befürchtung »Das war’s jetzt also?«.
Katies Magen verkrampfte sich. »Wann haben
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