Tanz mit mir - Roman
Medienbranche, du musst in Manchester bleiben!«
»Hast du schon mal etwas vom Internet gehört? Außerdem werde ich auch andere Kunden bekommen«, hatte er erklärt und seine Hände um ihr Gesicht gelegt. »Katie oder Job? Katie oder Job? Hmmm. Katie.« Und dann hatte er sie geküsst.
Plötzlich entwickelte sich ihre Beziehung genauso schnell wie Katies Karriere. Innerhalb von eineinhalb Jahren waren sie verheiratet, und dann war auch schon Hannah unterwegs. Für Ross schien es nur logisch zu sein, ein Jahr lang zu Hause
zu bleiben, da Katie sich keine Auszeit erlauben konnte. Und dann wurde sie mit Jack schwanger, und obwohl sie es hasste, Hannah zurückzulassen, schien alles gut zu klappen … Also warum eigentlich nicht? Ross blieb zu Hause, und sie arbeitete.
Alles war so schleichend passiert, wie ein Foto, das im grellen Tageslicht langsam verblasste, und nach und nach hatten die Arbeit, die Babys, das Haus und die Rechnungen alle Erinnerungen an die stickig-schwülen Nächte in Manchester verdrängt. Sie gaben einander flüchtige Küsschen, anstatt sich leidenschaftlich zu küssen, fielen jeden Abend erschöpft ins Bett und scherzten darüber, wie unattraktiv sie sich fühlten, und es war leichter, sich wegen der Unordnung im Haus übereinander zu ärgern, als einen Babysitter für einen gemeinsamen Abend zu finden, für den letztlich keiner von ihnen genügend Energie aufbringen konnte. Das schöne, dynamische Pärchen aus Manchester verwandelte sich in die Eltern von Hannah und Jack. Ross und Katie wurden zu zwei dauermüden Menschen, die einander zwar liebten, aber genauso gern am Abend früh schlafen gingen.
Eines Morgens quälte sich Katie wie gewohnt zur Arbeit, steuerte einen Zehner bei für das gemeinschaftliche Hochzeitsgeschenk für einen Kollegen, ging dann zur Toilette, um ihr Make-up für die Mittagspause aufzufrischen, und konnte plötzlich nicht mehr aufhören zu weinen. Auf ihren Schultern schien eine unsichtbare Last zu ruhen, weil so viele Dinge nicht mehr mit dem Leben übereinzustimmen schienen, das auf dem Papier so vorbildlich und erstrebenswert ausgesehen hatte.
Nun war sie hier. Und hatte nur noch fünf Sitzungen vor sich, um das Problem zu lösen oder einen Schlussstrich unter diese Ehe zu ziehen.
Als sie die Therapiestunde verließen, saß schon ein anderes Paar auf den orangefarbenen Stühlen vor Peters Beratungszimmer und wartete schweigend, mit verbitterter Miene und verschränkten Armen. Katie und Ross gingen den schäbigen Korridor des Gemeindezentrums hinunter, ohne das Pärchen anzusehen. Nur ihre Schritte durchbrachen das Schweigen zwischen ihnen.
Es hatte geschmerzt, dachte sie, Ross einige der Dinge sagen zu hören, die er ihr offensichtlich ohne die Anwesenheit einer anderen Person niemals hätte eingestehen können. Dass er das Gefühl hatte, sie würde sich keine Mühe mehr geben. Wie selbstverständlich er sich vorkam. Sie hatte angenommen, ihre Gefühle gut vor ihm verborgen zu haben, doch obwohl er eben nie etwas gesagt hatte, hatte sie dennoch den tiefen Schmerz in seinem Blick bemerkt. Niemand konnte so sehr leiden wie Ross. Wenn sie ehrlich war, war dies genau der Grund, warum sie ihm während der Sitzung nicht in die Augen hatte schauen können. Sie fragte sich, ob Peter, dem so gut wie nichts entging, es bemerkt hatte.
Katie blieb stehen und beobachtete, wie Ross den Korridor hinunterging und dabei die Schultern niedergeschlagen hängen ließ. Er war groß und gut aussehend, und sein Haar war noch immer so dicht und voll wie damals, als sie ihn kennengelernt hatte. Was also war es, was sie so sehr vermisste?
Aus Angst, die Antwort laut auszusprechen, ließ sie den Gedanken daran nur selten zu. Die Antwort war sexistisch, selbstsüchtig und einfach nur unfair. Doch es stimmte: Ross hatte seine Männlichkeit verloren, all das, was sie an ihm anziehend gefunden hatte – eine unerwartete Bemerkung, das Gefühl der Geborgenheit. Und alles war einzig und allein ihre Schuld.
Ich fand ihn so toll, dachte Katie, als ob sie sich plötzlich an etwas erinnern würde, was ihr jemand einmal gesagt hatte. Mir stockte jedes Mal der Atem, wenn er sich nachts das T-Shirt
auszog und ich einen Blick erhaschte auf den schmalen Haarstreifen auf seinem Bauch, der in seine Jeans hineinlief. Jetzt aber habe ich immer nur das Gefühl, dass mich zwei Kleinkinder und ein schmollender Teenager zu Hause erwarten. Ich fühle mich ungefähr so sexy wie meine Mutter, dabei sollte ich
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