Tanz, Pueppchen, Tanz
sie keuchend auf dem Bürgersteig, als wollte sie jeden Hauch der Vergangenheit ausatmen. Bis sie den verglasten Eingang des Fitness-Studios erreicht hat, ist es ihr fast gelungen, das Gespräch mit ihrer Sekretärin wieder aus ihren Gedanken zu radieren.
Noch etwas, was Amanda Travis nicht mag: Erinnerungen.
2
Als Amanda sich umgezogen, ihre Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und ihre Turnschuhe geschnürt hat, ist der Spinning-Kurs bereits voll im Gange, und alle Räder sind besetzt. »Verdammt«, murmelt sie, schlägt mit der flachen Hand auf ihre schwarze Lycra-Hose und stellt erstaunt fest, dass sie den Tränen gefährlich nahe ist. Das Studio sollte wirklich mehr Räder anschaffen, denkt sie, weil acht für einen derart beliebten Kurs wohl kaum ausreichen. Sie spielt kurz mit dem Gedanken, eine andere Frau vom Sattel zu schubsen, wobei sie sich zwischen einem muskulösen Teenager in der ersten Reihe und einer atemlosen Frau Mitte fünfzig, die sich weiter hinten abstrampelt, zu entscheiden versucht. Ihre Wahl fällt auf Letztere, da es ihrerseits wahrscheinlich ein Akt der Gnade wäre, sie von ihrem Platz zu vertreiben. Die arme Frau kriegt noch einen Herzinfarkt, wenn sie nicht aufpasst. Weiß sie nicht, dass Spinning-Kurse für diejenigen sind, die sie eigentlich gar nicht nötig haben?
Amanda steht eine Weile unschlüssig in der Tür und beobachtet voller Neid den Kurs, während sie hofft, dass eine der Teilnehmerinnen die Verzweiflung in ihrem Blick lesen und ihr ihren Platz abtreten wird. Versteht denn niemand, dass sie nur begrenzt Zeit hat? Dass sie im Gegensatz zu den meisten anderen hier einen richtigen Job hat, zu dem sie zurückkehren muss, dass sie in etwas mehr als einer Stunde wieder vor Gericht erwartet wird und diese fünfundvierzig Minuten quälenden Strampelns braucht, um ein wenig von dem am Vormittag angestauten Dampf abzulassen und ihre Kräfte für den Nachmittag zu sammeln?
»Okay, alle miteinander Popo hoch«, bellt der männliche Trainer über das ununterbrochene Wummern der Rockmusik hinweg. Die Frauen, denen der Schweiß schon in die glasigen Augen und offenen Münder tropft, heben unverzüglich ihr Hinterteil in die Höhe und strampeln schneller und härter und schneller und härter, um mit dem Vorturner mitzuhalten, während Blondie aus den Lautsprechern plärrt.
Die Erinnerung an das Gespräch mit ihrer Sekretärin schleicht sich erneut von hinten an und flüstert in Amandas Ohr. Und ein Ben Myers aus Toronto hat angerufen, sagt ihre Sekretärin. Er möchte, dass Sie ihn zurückrufen. Er sagt, es sei dringend.
Eilig flieht Amanda in den großen Raum des Studios, stürzt sich auf das erste unbesetzte Laufband vor den Fenstern mit Blick auf die unten liegende Straße und beschleunigt das Tempo, bis sie rennt. Drei Fernseher blicken strategisch platziert auf sie herab, ohne Ton, aber den Nahaufnahmen kann man sich nicht entziehen, und am unteren Bildrand laufen ununterbrochen die neuesten Nachrichten. Amanda spürt hinter ihren Augen den Ansatz von Kopfschmerzen und wendet den Blick ab, als der Nachrichtensprecher gerade eine wichtige aktuelle Entwicklung aus dem Nahen Osten vermeldet.
Er sagt, es sei dringend.
»Das sollten Sie nicht tun«, sagt ein Mann und bleibt neben ihr stehen.
Amanda spürt seinen warmen Atem auf ihrem nackten Arm.
»Was sollte ich nicht tun?«, fragt sie, ohne ihn anzusehen. Seine Stimme klingt unbekannt, und sie versucht, sich vorzustellen, wie er aussieht. Um die dreißig, entscheidet sie. Dunkle Haare, braune Augen, muskulöse Arme, kräftige Schenkel.
»Wenn Sie die Neigung so steil einstellen, riskieren Sie eine Verletzung. Ich spreche aus Erfahrung«, fügt er hinzu, als sie seine Warnung ignoriert. »Ich habe mir im letzten Jahr den Adduktor gerissen. Hat alles in allem ein halbes Jahr gedauert.«
Ohne ihre Schritte zu verlangsamen, blickt Amanda in seine Richtung und ist zufrieden, dass er ziemlich genauso aussieht, wie sie ihn sich vorgestellt hat, außer dass er wahrscheinlich eher vierzig als dreißig ist und keine braunen, sondern grüne Augen hat; auf eine übertrieben gepflegte Art attraktiv, nie allzu weit von seinem Föhn entfernt. Sie hat ihn schon öfter gesehen und weiß, dass sie ihm nicht zum ersten Mal auffällt. Sie drückt auf einen Knopf und spürt, wie der Aufstieg unter ihren Füßen weniger steil wird. »So besser?«
»Am besten wäre es ehrlich gesagt, wenn Sie ganz ohne Steigung laufen würden. Sie laufen ohnehin
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