Tanz unter Sternen
Im November 1923 gab es 100-Billionen-Mark-Geldscheine. Die Gehälter und Löhne stiegen nicht im gleichen Tempo wie die Preise für Waren. Ein Großteil der Bevölkerung verarmte. Geldbesitz war praktisch vernichtet.
Sobald man den täglich ausgezahlten Lohn in den Händen hielt, kaufte man möglichst schnell ein, bevor der Wert des Geldes weiter sank. In Restaurants verdoppelte sich mitunter der Preis für die Mahlzeit, während man sie aß.
Adolf Hitler nutzte die chaotische Lage am 8. und 9. November 1923 zu einem Putschversuch, scheiterte aber damit. Am 15. Novem ber beendete eine Währungsreform die zerstörerische Inflation.
Die Kaufkraft der Inflationsgeldscheine war an jenem Tag geringer als ihr bloßer Papierwert. Die Währungsreform bedeutete aber auch, dass die Kriegsschulden des Staates anstelle von 164 Milliarden Mark nur noch 16,4 Pfennige betrugen – Verlierer waren die Bürger, die ihr Geld für Kriegsanleihen zur Verfügung gestellt hatten.
Die Gründung des Secret Service
Spitzel und Spione gab es, seitdem Mächtige ihren Thron zu sichern versuchten. In England war im 18. und 19. Jahrhundert Spionage vom Außenministerium bezahlt worden. Anfang des 20. Jahrhunderts wuchs aber vor allem Deutschland zu einem so bedrohlichen Feind heran, dass man sich entschloss, das Sammeln der Informationen und die Abwehr feindlicher Spione besser zu koordinieren. Zu diesem Zweck wurde 1909 der britische Geheimdienst gegründet. Vernon Kell, der neben Englisch auch Französisch, Deutsch, Russisch und Chinesisch sprach, übernahm die Leitung der Spionageabwehr und die Informationsbeschaffung im eigenen Land. Seine Abteilung erhielt später die Bezeichnung MI5. Mansfield Smit h- Cumming baute den Auslandsgeheimdienst auf, den wir heute MI6 nennen.
Im 19. Jahrhundert war England das mächtigste Land der Welt. Seine wirtschaftliche Vormachtstellung bröckelte jedoch, und das Deutsche Kaiserreich begann, nachdem es auf ökonomi schem und militärischem Gebiet seine Rivalen in Kontinentaleuropa abgehängt hatte, nach einem Status als Weltmacht zu greifen, unter anderem durch einen starken Ausbau seiner Flotte.
Sensationsmeldungen über deutsche Spione, die bereits im britischen Untergrund aktiv seien, füllten Englands Zeitungen. Der Bestseller The Invasion of 1910 des Autors William Le Queux wurde über eine Million Mal verkauft, nachdem er 1906 bereits als Serienabdruck in der Daily Mail Furore gemacht und die Auflage der Zeitung in die Höhe getrieben hatte. Le Queux erzählte darin von einer Invasion der Deutschen in Großbritannien. 1909 legte er nach mit Spies of the Kaiser , was er als Tatsachenroman verstanden haben wollte. In diesem Buch behauptete er, fünftausend deutsche Spione seien bereits damit beschäftigt, die Invasion Englands vorzubereiten, indem sie Nahrungsmittelvorräte erkundeten, Automobile ausspähten und günstige Stellungen für die Artillerie kartografierten.
Plötzlich war jeder Ausländer verdächtig, der sich auf der Straße Notizen machte. Nach der Veröffentlichung von Spies of the Kaiser trafen zahlreiche Briefe im Kriegsministerium ein, die auffälliges Verhalten von Deutschen meldeten: neugierige Fragen zu Eisen bahnbrücken, Interesse für die Wasserversorgung, das Einzeichnen von Korrekturen in Landkarten.
Die Befürchtung in der Bevölkerung, England sei von Tausenden Spionen und Saboteuren infiltriert, war maßlos übertrieben. Dennoch ließ der Zeitgeist auch Politiker nicht unberührt. Einflussreiche Regierungsmitglieder unterstützten den Aufbau eigener britischer Geheimdienststrukturen. Aus unkoordinierten Spionageaktionen wurde ein systematisches Netz der Auslandsspionage. Zuerst entsandte man Henry Dale Long, der Deutsch und Französisch beherrschte, nach Brüssel. Hauptziel aller Aktivitäten war das Deutsche Reich. Agenten wurden engagiert, um die Militärhäfen Kiel, Wilhelmshaven und Hamburg zu überwachen, ein weiterer sollte von Hannover aus die Armee ausspähen.
Drei zusätzliche Spione wurden dafür bezahlt, Anzeichen einer deutschen Mobilmachung mindestens 24 Stunden vor der offiziellen Kriegserklärung zu melden. Sie standen ansonsten nicht im Kontakt mit dem Geheimdienst, »schliefen« also, bis der Fall der deutschen Mobilmachung eintrat. Demjenigen, der die Meldung zuerst brachte, versprach Cumming eine Prämie von 500 Pfund (das entspricht nach heutigem Wert etwa 45 000 Euro).
Britische Geschäftsleute arbeiteten dem Geheimdienst zu. Sie berichteten,
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