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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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Papa. Er fügte ein kleines Herz hinzu.
    Cäcilie sah zum Fenster hin. Sie sagte leise: »Wenn die Titanic un sinkbar ist, warum lassen sie uns dann Schwimmwesten anziehen?«
    »Wir sollten beten.«
    Sie nickte und faltete die Hände.
    Er sagte: »Lieber Gott, bitte bewahre dieses Schiff. Wenn wir ein Leck haben, hilf doch bitte, dass sie es stopfen können. Und hilf uns, Samuel zu finden. Wir geben uns in deine Hände und danken dir. Amen.«
    Draußen im Flur scherzten die Passagiere über die Schwimm westen, sie beglückwünschten sich gegenseitig: »Toll sehen Sie aus! Das ist der neuste Schrei, jeder trägt jetzt so eine Weste.«
    Matheus klemmte den Zettel in den Türspalt, sodass die beschriebene Seite sichtbar war, und schloss die Tür. Seltsam, wie sich die Menschen verhielten. Sie wirkten aufgedreht wie Schulkinder beim Ausflug in den Zoo. Nicht beunruhigt, sondern amüsiert folgten sie den Anweisungen der Crew.
    Er hingegen sah das kalte Meer vor sich und glaubte schon, das Salzwasser an seinem Hals zu spüren. Zwei ältere Damen in Nacht hemden klopften an eine Tür und riefen: »Lizzie, wach auf! Lizzie!« Die benachbarte Kabinentür stand offen. Drinnen legte ein Mann fein säuberlich seine Hemden in einen Koffer, als würde er gleich an Land gehen.
    »Nicht den Fahrstuhl«, sagte Matheus, als Cäcilie am Gitter stehen blieb. »Wir können uns auf die Elektrizität nicht verlassen.« Er ging mit ihr zur Treppe und stieg hinauf. Von überall strömten Menschen herzu, der Treppenaufgang war bald voll, und das Geschwätz dröhnte Matheus in den Ohren. Auch Kinder waren da. Matheus blickte immer wieder umher in der Hoffnung, Samuels blonden Schopf zu sehen. Vergebens.
    Als sie nach draußen traten, schlug ihm die Kälte gegen die Stirn. In allen Treppenaufgängen stauten sich Passagiere, manche noch in Abendkleidern, andere in ihrem Pyjama.
    Ein Schiffsoffizier stieg auf eine Bank und rief: »Bitte, bleiben Sie ruhig! Mehrere Schiffe befinden sich in der Nähe und eilen herbei. Es besteht kein Anlass zur Sorge.« Im Hintergrund aber sah Matheus, wie sie die Rettungsboote bereitmachten. Matrosen nahmen das Segeltuch herunter, das die Boote bedeckt hatte. Andere legten Seile aus, die über Rollen liefen, und trafen Vorbereitungen dafür, die Boote hinabzulassen. Sie schwangen die Auslegerarme der Davits aus.
    Ein Herr mit Zylinderhut dozierte: »Meine Damen, machen Sie sich keine Sorgen. Die Titanic verfügt über ein Telegraphensystem mit stärkster Sendekraft, kein anderes Schiff ist so weit zu hören wie wir. Die Nachrichten legen sechshundert Kilometer zurück, jetzt in der Nacht bei gutem Wetter sogar dreitausend Kilometer. Sicher ist längst Hilfe unterwegs.« Er klang wie ein Lehrer.
    Währenddessen ließ die Crew am anderen Schiffsende, bei der ersten Klasse, ein Boot hinab zum Promenadendeck. Matheus konnte Samuel nicht entdecken. Er rief laut: »Samuel! Wir sind hier!«
    Eine alte Dame sah ihn böse an und hielt sich die Hand aufs Ohr.
    »Junge, der Kapitän nimmt seine Aufgabe aber ernst«, scherzte einer. »Ein kleiner Kratzer am Bug, und schon müssen wir die Evakuierung einüben.«
    »Also, ich steige in keines von diesen Booten«, sagte eine Frau zu ihrem graubärtigem Mann. »Ich bleibe hier an Bord. Die Titanic ist doch unsinkbar. Können uns die anderen Schiffe nicht abholen? Muss man erst in einer schwankenden kleinen Nussschale hinabgelassen werden?«
    Der vermeintliche Lehrer hatte ihre Bemerkung gehört und tadelte die Frau: »Madam, wenn die Crew das möchte, steigen wir alle gesittet in die Rettungsboote. Wir werden von der havarierten Titanic weggerudert und von einem anderen Schiff aufgenommen. Ob sie die Titanic zur Reparatur in einen Hafen schleppen oder hier vor Ort instand setzen, das ist nicht unsere Sache.«
    »Liebling, geh bitte noch mal runter und hole das Geld und den Schmuck«, bat eine ältere Dame ein junges Mädchen. So ruhig waren nur noch wenige Passagiere, die meisten redeten laut durcheinander. Es herrschte eine fieberhafte Aufregung.
    Matheus hörte, wie ein Heizer dem Offizier zuraunte: »Wasser dringt in den Kesselraum ein, Sir.«
    Unsinkbare Schiffe gibt es nicht, dachte er. Wo war Samuel?
    »Nichtskönner. Anfänger, allesamt!« Lyman warf die Telegramme ins Waschbecken, entzündete ein Streichholz und hielt es unter eines der Blätter. Das Blatt krümmte sich, ein schwarzer Fleck bildete sich darauf und wurde größer. Schließlich loderte das Papier auf. Die

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