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Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
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eine Heldentat gewesen, ein Unterfangen für Männer.
    Und was tat er? Wahre Männer beobachteten weit entfernte Sterne und elektromagnetische Felder. Wahre Männer forschten, wie dieser Albert Einstein mit seiner Relativitätstheorie, so einen hätte Cäcilie respektiert, sie wäre an seinen Lippen gehangen und hätte überall mit ihrem klugen Ehemann geprahlt. Warum konnte er kein Albert Einstein sein? Kein Thomas Alva Edison, kein Werner von Siemens?
    Wahre Männer kämpften mit Maschinengewehren, sie machten sich die Technik untertan, anstatt vor ihr zu versagen wie er. Wahre Männer sprangen ins Meer, um Schwämme zu sammeln, sie tauchten tief hinab und klaubten die Tiere vom Meeresboden. Wenn er Cäcilie so einen Schwamm brachte von da unten, dann würde sie ihn bewundern, sie würde sich damit waschen und allen stolz erzählen, dass ihr Mann todesmutig in die Tiefe geschwommen war für sie.
    Aber so einer war er nicht. Er heftete mit Reißnägeln eine gehäkelte Bordüre an den Einlegeboden des Küchenschranks: »Üb immer Treu und Redlichkeit!« Krank war er außerdem, er spürte es, die Keime bildeten Kolonien auf seinem Körper, sie drangen in ihn ein und wucherten auf seinen Organen.
    Warum war es so still? Die Motoren liefen nicht. Es war mitten in der Nacht, und die Titanic lag reglos im Ozean.
    Schlagartig war Matheus wach. Da stimmte etwas nicht. Er musste herausfinden, was los war.
    Lautlos richtete er sich auf und ließ sich am Bettgestell hinunter. Cäcilie, die im Bett unter ihm schlief, wollte er auf keinen Fall wecken, sie würde sich über seine Vorsicht lustig machen.
    Er tastete im Dunkeln nach der Unterhose, den Strümpfen. In Zeitlupe, wie wenn ein Filmvorführer zu langsam kurbelte, zog er sich an und verschnürte die Schuhe. Er öffnete die Tür zum Flur. Ein Keil von Licht fiel in die Kabine. Gerade wollte er hinausschlüpfen, da fiel sein Blick auf Samuels Bett. Kissen und Decke waren zerwühlt, aber wo war Samuel?
    Auch bei genauerem Hinsehen konnte er ihn nicht entdecken. Er ließ die Tür offen stehen und schlich zum Bett hin. Er hob die Decke. Vielleicht war der Junge zur Toilette gegangen.
    Matheus verließ die Kabine. Er sah in jede Toilette, spähte in die Waschräume. Mit wild klopfendem Herzen kehrte er zur Kabine zurück. »Cäcilie«, sagte er, »Samuel ist weg.«
    Sie regte sich unwillig. »Was ist?«, fragte sie schlaftrunken. Dann fuhr es wie ein Blitz durch sie. Binnen Sekunden war sie aufgestanden. »Was?« Sie sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Hektisch wühlte sie durch Samuels Bett. »Vielleicht ist er zur Toilette gegangen.«
    »Da habe ich gesucht.«
    Ein Ausdruck von Schmerz fuhr über ihr Gesicht. »Er muss uns streiten gehört haben. Ohne Grund haut Samuel nicht ab, nicht mitten in der Nacht.«
    »Komm, wir suchen ihn.«
    »Wie konnten wir bloß so dumm sein! Er muss fürchterlich gelitten haben unter unserer Streiterei.« Sie zog sich an. »Wo könnte er hingegangen sein? Die Bibliothek ist geschlossen um diese Uhrzeit.«
    »Hoffentlich ist er nicht wieder auf Deck, bei der Kälte.« Ma theus nahm den Mantel vom Haken. Samuels Schuhe fehlten, ebenso Hose und Jacke. »Immerhin hat er sich angezogen. Weißt du noch, wie er zu Hause heimlich auf den Dachboden geklettert ist, weil er traurig war, und zur Luke raus in den Himmel gesehen hat? Gut möglich, dass er sich gerade die Sterne anschaut.«
    »Wen kennt er an Bord? Wir müssen diesen Adam finden, vielleicht ist er zu ihm gegangen. Sie werden doch auch Stewards haben, die in der Nacht Dienst haben. Die sollen uns helfen, Adams Kabine ausfindig zu machen. Kennt er noch jemanden?«
    »Nele. Sie hat ihn gestern an Deck eingesammelt und ist mit ihm essen gegangen.«
    »Wer ist das?«
    Er biss sich auf die Lippe. Cäcilie sah ihn an, in ihren Augen flackerte die Angst um Samuel. Er wollte sie in den Arm nehmen, sie wärmen. »Das ist die Varietétänzerin«, sagte er.
    »Beten wir, dass es ihm gut geht.« Sie verließ die Kabine.

23
    Samuel kauerte bei den Schätzen, die sein Freund und er gesammelt hatten. Kohlenstaub schwärzte seine Hose, und die Hitze des Ofens biss ihn in die Haut. Trotzdem war es hier besser als bei den Eltern, ihre Feindseligkeiten hielt er nicht länger aus.
    Er spähte am Ofen vorbei zu den Heizern. Als er vorhin hierhergeschlichen war, hatten sie faul auf umgestülpten Eimern gesessen und geplaudert. Aber jetzt zischte und gluckerte etwas, und sie sprangen auf, so eilig, dass sie

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