Tanz unter Sternen
ihre Eimer dabei umstießen.
Vorsichtig kroch er um die Ofenecke. Er riss die Augen auf. Durch einen Riss in der Schiffswand sprudelte Wasser in den Kesselraum! Die Heizer schalteten hastig Pumpen ein. Es stampfte und saugte und saugte und stampfte. Über den Türen leuchtete ein rotes Licht. Ein Warnton erscholl. Aus der benachbarten Halle hasteten andere Heizer heran. Mit lautem Rasseln stürzten die Falltüren, ein Heizer hechtete noch darunter hindurch in ihren Raum hinein, hinter ihm krachte die Falltür zu.
Die Heizer redeten auf Englisch durcheinander. Manche von ihnen kletterten eiserne Leitern nach oben.
Ein Leck in der Titanic! Sicher verheimlichten sie das den Passagieren, sie stopften es, ohne jemandem etwas davon zu sagen. Wenn er das Adam erzählte, der würde staunen! Vaters Lieblingsgeschichte handelte auch von einem Loch im Schiff, und wenn er sie ausschmückte, hörten die Leute mit offenen Mündern zu, außer denen natürlich, die sie schon kannten. Jetzt hatte er, Sa muel, auch so eine Geschichte zu erzählen, wie er unten im Rumpf der Titanic gesehen hatte, dass durch ein Leck Wasser hi neinströmte, und wie sie es stopften.
»Wissen Sie, weshalb wir angehalten haben?«
Matheus schüttelte den Kopf. »Ich weiß nichts, Sir. Sie sind jetzt schon der Vierte, der uns das fragt. Haben Sie einen kleinen blonden Jungen gesehen?«
»Unseren Sohn«, ergänzte Cäcilie.
Der Herr verneinte.
Sie erreichten das Büro des Pursers. Dort hatte sich eine Menschentraube versammelt, die Damen und Herren lachten. Sie warfen sich etwas Weißes zu, etwa von der Größe einer Teekanne. Cäcilie fragte: »Was ist das?«
Eine Dame erklärte ihr fröhlich: »Ich habe gelüftet, mein Bullauge stand offen. Da ist mir dieses Stück Eis in die Kabine gefallen. Wir haben einen Berg gerammt, an Deck sollen haufenweise Eissplitter liegen.«
»Wir haben den Eisberg nur flüchtig gestreift«, korrigierte der Purser. »Meine Damen, meine Herren, würden Sie bitte etwas leiser sein? Wir wollen die Passagiere nicht wecken.«
Matheus wurde es mulmig. »Warum halten wir dann, wenn wir ihn nur gestreift haben?«
Der Purser lächelte milde. »Eine Vorsichtsmaßnahme des Captains. Er lässt das Schiff auf Schäden untersuchen. Meine Herren, bitte, wäre es Ihnen recht, sich in den Rauchsalon zu begeben? Sie können sich dort einen heißen Whisky mit Wasser bestellen oder eine heiße Limonade, um sich aufzuwärmen. »
»Wir suchen unseren Jungen, haben Sie einen blonden Jungen gesehen?«
Der Purser verneinte.
»Er könnte bei seinem Freund sein, einem Adam, in der dritten Klasse.«
Der Purser prüfte seine Liste. »Ich habe einen John Adams.«
»Nein, der Vorname ist Adam, nicht der Nachname.«
»Samuel wird an Deck sein«, sagte Cäcilie, »bei den Eissplittern.« Sie stiegen die Treppe hinauf. Obwohl es bereits kurz vor Mitternacht war, bewarfen sich im Erholungsbereich der dritten Klasse junge Männer mit Eis, lachten, spielten Fußball damit.
Matheus und Cäcilie suchten verzweifelt. Sie wanderten auf und ab und fragten die Passagiere. Samuel war nicht auffindbar. »Vielleicht ist er irgendwo reingegangen, um sich aufzuwärmen«, sagte Cäcilie.
Als Matheus die Tür zum Rauchsalon öffnete, riefen die Kartenspieler gleich: »Tür zu!« Und wirklich, kaum stand er drinnen, bewies ihm die wohltuende Wärme im Raum, wie kalt es draußen war, er hatte nicht wahrgenommen, dass er fror. Er fragte höflich nach Samuel.
»Hier isser nicht«, sagte einer und warf eine Karte auf den Tisch. »Machen Sie keinen Aufruhr, sonst kommt der Chefsteward, und sie lassen uns nicht weiter Karten spielen. Es ist Sonntag, schon vergessen? Absolute Ausnahme, dass wir hier spielen, die White Star Line ist da sonst streng.«
»Genau genommen ist es Montag«, sagte ein anderer Spieler. »Mitternacht ist durch, Freund. Offiziell dürfen wir spielen.«
Ratlos trat Matheus wieder nach draußen. Cäcilie zitterte, sie rieb sich die Oberarme.
»Vielleicht ist er bei Nele«, sagte er. »Komm mit.« Auf der Trep pe hatte er plötzlich das Gefühl, nach vorn zu fallen. Etwas stimmte mit den Stufen nicht. Die Treppe schien sich zu neigen. Oder spielte ihm der Gleichgewichtssinn einen Streich? Es mochte am raschen Wechsel von warm und kalt liegen, der den Kreislauf durcheinanderbrachte. Außerdem war es mitten in der Nacht, sein Gleichgewichtssinn schlief wohl noch.
Jemand stürmte in eine Kabine, an der sie gerade vorüberkamen, und warf dem
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