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Tao Te Puh

Tao Te Puh

Titel: Tao Te Puh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Hoff
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natürlichen Rhythmus der Dinge erwächst.
    Nehmen wir ein Beispiel aus den Schriften Chuang-tses:
     
    In der Schlucht von Lü stürzt der große Wasserfall Tausende von Fuß hinab, und sein Gischt ist meilenweit sichtbar. Unten in den schäumenden Wassern ist nie ein lebendiges Geschöpf erblickt worden.
    Als Konfuzius einmal in einiger Entfernung vom Rande des Wasserfalles stand, sah er einen alten Mann, der von den wilden Fluten mitgerissen wurde. Er rief seine Schüler herbei, und zusammen rannten sie, den Ärmsten zu retten. Aber als sie endlich das Wasser erreicht hatten, war der Alte ans Ufer geklettert, spazierte einher und sang vor sich hin. Konfuzius eilte zu ihm. „Du müßtest ein Geist sein, um das zu überleben“, sprach er, „aber du scheinst doch ein Mensch zu sein. Was für eine geheime Macht besitzt du?“
    „Nichts im besonderen“, erwiderte der Alte. „Ich habe schon in sehr jungen Jahren zu lernen begonnen und immer weiter geübt, während ich heranwuchs. Jetzt bin ich des Erfolgs sicher. Ich gehe mit dem Wasser unter und komme mit dem Wasser wieder hoch. Ich passe mich an und vergesse mich selbst dabei. Ich überlebe, weil ich nicht gegen die Übermacht des Wassers ankämpfe. Das ist alles.“
     
    Wenn wir lernen, mit unserm wahren Wesen und mit den Naturgesetzen, die um uns herum wirksam sind, harmonisch zusammenzuarbeiten, erreichen wir die Ebene des Wu Wei. Dann halten wir uns an die natürliche Ordnung der Dinge und gehen nach dem Prinzip des geringsten Aufwandes vor. Da die natürliche Welt diesem Prinzip folgt, macht sie auch keine Fehler. Fehler macht — oft nur in seiner Einbildung — allein der Mensch, dieses kopflastige Geschöpf, das sich aus dem tragenden Netz der Naturgesetze herauslöst, indem es störend eingreift und überall seine eigenen Absichten verfolgt.
    Ganz anders Puh, der absichtsloseste Bär, den wir je gesehen haben.
     
    „Wie machst du das nur, Puh?“
    „Mach' ich was?“ fragte Puh zurück.
    „So absichtslos zu sein.“
    „Ich tue einfach so gut wie nichts“, sagte er.
    „Aber trotzdem bekommst du doch alles, was nötig ist, getan.“
    „Irgendwie geschieht das alles wie von selbst“, meinte Puh.
    „Moment mal. Das erinnert mich an etwas aus dem Tao Te King!“ Ich griff mir das Buch. „Hier ist es — Kapitel 37. In der Übersetzung heißt es da in etwa ,Das Tao tut nichts, und doch bleibt nichts ungetan'.“
    „Klingt wie ein Rätsel“, sagte Puh.
    „Es bedeutet, daß Tao keinen Zwang ausübt oder störend in den Lauf der Dinge eingreift, sondern alles auf seine Weise gewähren läßt, so daß sich der Erfolg von Natur aus einstellt. Dann wird getan, was immer auch zu tun ist.“
    „Aha“, sagte Puh.
    „Auf chinesisch würde das Prinzip Wei Wu Wei heißen, ,Tun ohne Tat'. Und von Wei Wu Wei kommt Tzu Jan, ,von selbst so'. Das bedeutet, alles geschieht von selbst und spontan.“
    „So, aha“, sagte Puh.
     
    Als einfachstes Beispiel für den Puh-Weg wollen wir uns einen Vorfall aus Puh baut ein Haus ins Gedächtnis rufen, wo Puh, Ferkel, Kaninchen und Ruh Puhstöckchen spielen. Sie warfen ihre Stöcke von der Brücke aus in den Fluß und gingen dann auf die andere Seite, um zu sehen, wessen Stöckchen zuerst zum Vorschein kommen würde.
     

    Und sie hatten schon eine ganze Weile gewartet, da kam etwas angeschwommen. . .
     

     
    I-Ah. I-Ah?
     
    „Ich wußte gar nicht, daß du mitspielst“, sagte Ruh.
    ,,Tu' ich auch nicht“, gab I-Ah zurück.
    ,,I-Ah, was machst du dann da?“ fragte Kaninchen.
    „Dreimal darfst du raten, Kaninchen. Löcher in den Grund buddeln? Falsch. In einer jungen Eiche von Ast zu Ast hüpfen? Auch falsch. Daraufwarten, daß mir jemand aus dem Fluß hilft? Richtig. Laß Kaninchen Zeit, und es findet immer eine Antwort.“
     
    Und dann kam Puh auf eine Idee: Sie könnten ein paar Steine in den Fluß werfen, von den Steinen würde das Wasser Wellen schlagen, und die Wellen würden I-Ah ans Flußufer tragen. Kaninchen fand die Idee gut. I-Ah nicht.
     
    „Angenommen, wir treffen ihn aus Versehen?“ fragte Ferkel ängstlich.
    „Oder angenommen, ihr würdet aus Versehen danebentreffen“, bemerkte I-Ah. „Zieht erstmal alle Möglichkeiten in Betracht, Ferkel, ehe ihr euch ins Vergnügen stürzt.“
    Aber Puh hatte schon den größten Stein, den er eben tragen konnte, zwischen den Tatzen und lehnte sich über das Brückengeländer.
    „Ich werfe ihn nicht, I-Ah, ich lasse ihn nur fallen!“ erklärte er.

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