Tao Te Puh
„Und dann kann gar nichts daneben —, ich meine, dann kann ich dich gar nicht treffen. Könntest du nicht einen Augenblick aufhören, so zu kreiseln, denn das bringt mich ziemlich durcheinander?“
„Nein“, sagte I-Ah, „ich kreisel nun mal gerne.“
Kaninchen hatte langsam das Gefühl, es sei an der Zeit, das Kommando zu übernehmen.
„Also, Puh“, sagte es, „wenn ich ,Jetzt!' rufe, kannst du ihn fallen lassen. I-Ah, wenn ich ,Jetzt!' rufe, läßt Puh den Stein fallen.“ „Besten Dank, Kaninchen, aber ich bin sicher, ich werde es rechtzeitig merken.“
„Bist du bereit, Puh? Ferkel, laß Puh etwas mehr Platz. Geh ein bißchen zurück, Ruh. Seid ihr bereit?“
„Nein“, sagte I-Ah.
„Jetzt!“ rief Kaninchen. Puh ließ seinen Stein fallen. Es klatschte laut, und I-Ah verschwand . . .
Das waren bange Minuten für alle auf der Brücke. Sie starrten und starrten . . . und selbst der Anblick von Ferkels Stöckchen, das kurz vor Kaninchens angeschwommen kam, stimmte sie nicht so fröhlich, wie eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Doch gerade, als Puh zu glauben anfing, er müsse wohl den falschen Stein oder den falschen Fluß oder den falschen Tag für seine Idee gewählt haben, zeigte sich einen Moment lang etwas Graues in Ufernähe . . . und es wurde langsam größer und größer. . . und schließlich war es I-Ah, der herausstieg.
Mit Geschrei rannten sie von der Brücke und drückten und zogen ihn, und bald stand er mitten unter ihnen auf dem Trockenen. „Ach, I-Ah, bist du aber naß!“ rief Ferkel und befühlte ihn. I-Ah schüttelte sich und bat, jemand möge doch Ferkel erklären, was geschieht, wenn man ziemlich lange in einem Ruß war.
„Gut gemacht, Puh“, sagte Kaninchen freundlich. „Das war mal eine feine Idee von uns.“
Wie es immer so geht, beansprucht die Schlauheit alle Lorbeeren nach Möglichkeit für sich. Doch ist nicht etwa das schlaue Köpfchen daran schuld, wenn eine Sache gut ausgeht. Vielmehr ist es die innere Einsicht, die das Naheliegende erkennt und den Dingen ihren natürlichen Lauf läßt.
Wenn du mit Wu Wei zu Werke gehst, treibst du den runden Pflock in das runde Loch und den viereckigen Pflock in das viereckige Loch. Ohne Streß und ohne Mühe. Der Selbstsüchtige jedoch, der nur seine eigenen Absichten im Kopf hat, versucht den runden Pflock in das viereckige Loch und den viereckigen Pflock in das runde Loch zu schlagen. Der Schlaue wiederum verfällt auf immer neue Tricks, um irgendwelche Pflöcke in irgend etwas einzupassen, in das sie nicht hineingehören. Und der Gelehrte schließlich versucht herauszufinden, warum runde Pflöcke zwar in runde, aber nicht in viereckige Löcher passen. Bei Wu Wei gibt es keine derartigen Versuche, auch kein Nachdenken darüber. Wu Wei ist gleichbedeutend mit: einfach tun. Aber dieses Tun hat offenbar nichts mit Tätigwerden zu tun. Es tut einfach, und alles wird getan.
„Stimmt etwas nicht, Ferkel?“
„Der Deckel von diesem Glas sitzt fest“, japste Ferkel. „Ja, er... klemmt, wahrhaftig. Hier, Puh, mach du doch mal auf.“
(Hopp.)
„Danke, Puh“, sagte Ferkel.
„Wofür denn?“ erwiderte Puh.
„Wie hast du denn den Deckel aufgekriegt?“ fragte jetzt Tiger.
„Es ist ganz leicht“, erklärte Puh. „Du drehst einfach, so, bis du auch mit Kraft nicht mehr weiterdrehen kannst. Dann holst du tief Luft, und während du wieder ausatmest, drehst du. Das ist alles.“
„Das will ich mal probieren!“ brüllte Tiger und sprang in die Küche. „Wo ist das neue Glas Pickles? Ah, hier.“
„Tiger“, fing Ferkel ängstlich an, „ich glaube, daß du besser nicht —“
„Keine Angst“, versicherte Tiger. „Einfach drehen, und —“ PÄNG!
„Alles klar, Tiger“, sagte ich, „nun such mal schön die Pickles vom Boden auf.“
„Sind mir aus der Pfote gerutscht“, rechtfertigte sich Tiger.
„Er hat sich zuviel Mühe gegeben“, sagte Puh.
Und wenn du dir zuviel Mühe gibst, klappt es nicht. Versuch mal, etwas mit angespanntem Arm schnell und genau zu greifen, dann laß locker und versuch es noch einmal. Versuch mal, mit angestrengtem Geist etwas zu tun. Der sicherste Weg, verspannt und ungeschickt zu werden und in Verwirrung zu geraten, ist der, seinen Verstand zu überanstrengen — zuviel zu denken. Die Tiere des Waldes denken nicht viel, sie sind einfach. Aber für die überwiegende Zahl der Menschen ist der Satz zutreffend: „Ich denke, also bin ich verwirrt“, um einen
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