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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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Tag, an dem er zuschlägt.
    Â»Damals fand ich das fast schon normal«, sagt Sabine rückblickend. »Denn jede ägyptische Frau – arm oder reich – hatte das gleiche Schicksal. Der Mann zeigt der Frau, wo ihre Grenzen sind, das war die klassische Vorstellung von Ehe.« Sabine sagt heute, in all ihren Jahren in Ägypten habe sie keine Ausnahme von dieser Regel gefunden. »Es steht im Koran, dass man unter Umständen auch handgreiflich werden darf. Und ich kenne keine ägyptische Ehe, in der das nicht so gehandhabt worden wäre.«
    Was Sabine erzählt, ist ihre ganz persönliche Geschichte. Nicht in allen Ländern wird der Islam gleich gelebt, der Koran gleich ausgelegt, auf dem Land mag es andere Ansichten geben als in der Stadt, unter alten Menschen andere als unter den jungen, Studierte werden anders denken als Analphabeten. Und doch gibt es Erfahrungen, die Sabine mit vielen Frauen teilt. Frauen, die wie sie der Liebe wegen in ein Land gezogen sind, in dem der Islam Staatsreligion ist. Natürlich werden nicht alle geschlagen, natürlich müssen sich nicht alle verhüllen – aber alle sehen sich mit Erwartungen und Forderungen konfrontiert. Sich ihnen zu entziehen, ist vor allem dann schwer, wenn sie mit dem Koran begründet werden. Denn dann ist jede Diskussion zu Ende, dann gibt es keinen Verhandlungsspielraum mehr. Gegen den Koran kann man nicht argumentieren.
    Zum Beispiel das Verbot männlicher Freunde: »In islamischen Ländern ist es gewollt, dass Männer und Frauen nicht viel miteinander zu tun haben, es sei denn, sie sind verwandt oder verheiratet«, sagt Elisabeth Reif. »Es wird eigentlich schon als Vertrauensbruch gewertet, wenn eine Frau sich mit einem Nicht-Verwandten allein in einem Raum aufhält.« Die gängige Auffassung lautet: Zwischen Mann und Frau herrscht immer eine sexuelle Anziehungskraft. Und diese Kraft ist so stark, dass sich ihr niemand entziehen kann. Befinden sich ein Mann und eine Frau bei geschlossener Tür allein in einem Raum, werden sie sich also zwangsläufig zueinander hingezogen fühlen. »Man ist dort der Überzeugung, dass ein Mann und eine Frau leicht sexuell verführt werden können. Einfach, weil sie den Sexualtrieb als so stark und allgegenwärtig ansehen. Durch diese Annahme sind viele Situationen tatsächlich sexuell aufgeladen. Da ist dann wirklich Spannung.«
    Eine der wichtigsten Anweisungen für Muslime lautet deshalb: Bringe dich nicht in Versuchung. Die Geschlechtertrennung, die in vielen Ländern herrscht, stellt quasi eine präventive Maßnahme dar. Mit dem Westen verbinden nicht nur die tratschenden Bekannten von Sabine das Gegenteil dieses strengen Ehrenkodex. Im Westen, so nehmen viele an, sei wegen der fehlenden Geschlechtertrennung Zügellosigkeit an der Tagesordnung. »Manche islamischen Männer haben da regelrechte Fantasien über die extreme Freizügigkeit westlicher Frauen«, sagt Elisabeth Reif. Wer wie Sabine diesem Bild nicht entsprechen will, muss umso strenger den Erwartungen an eine ehrbare Frau gerecht werden. Sonst könnte es ihr wie der Amerikanerin gehen, von der ich neulich in einem Buch las: Sie heiratete in den USA einen muslimischen Kenianer und zog später mit ihm in sein Heimatland. Weil sie aber vor der Ehe mit dem Mann geschlafen hatte, hielt er ihr das immer wieder als moralisches Vergehen vor. Wenn sie vor der Ehe Sex gehabt habe, so seine Annahme, sei sie sicher auch zu anderen Sünden fähig.
    Der Umzug ins Land des anderen kann unter solchen Umständen einen Schock für den Partner bedeuten. Denn dann ändert sich oft das eingespielte Verhalten. Weil sich etwa der Mann nun den Erwartungen seiner Familie und seiner Umgebung ausgesetzt sieht, wird es plötzlich viel wichtiger als zuvor, regelmäßig in die Moschee zu gehen. Plötzlich sind Berührungen in der Öffentlichkeit tabu. Plötzlich will er der Ehefrau den Kontakt zu alten (männlichen) Freunden verbieten. Und plötzlich ist es nicht mehr so selbstverständlich, dass man sich Haushalt und Kindererziehung teilt. Eine Frau muss dann herausfinden: Mit welchen Regeln kann ich leben, weil sie für meinen Mann essenziell sind? Welche Anforderungen gelten zwar in seiner Gesellschaft als normal – sind aber für mich nicht akzeptabel? Und kann ich damit leben, dass mich andere schief ansehen oder sogar ausschließen, wenn ich

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