Tapas zum Abendbrot
Ãgypten der 1980er- und 1990er-Jahre, das sie selbst kennengelernt hat: eine Zeit, in der die Frauen sich zunehmend verhüllten â und einander manchmal selbst die gröÃten Feinde waren.
Einmal sitzt Sabine damals bei einer jungen Familie zum Abendessen. Sie erzählt, dass sie beruflich nach Paris müsse und fragt: »Soll ich euch etwas mitbringen, braucht ihr etwas?« Statt einer Antwort auf diese Frage gibt die junge Gastgeberin zurück: »Mein Vater reist ja auch sehr viel nach Paris. Aber er hätte es nie gewagt, mich als ehrbare ägyptische Frau dorthin mitzunehmen. Das ist zu gefährlich, die Männer dort sind ja total unberechenbar.« Sabine erkennt erst im Nachhinein, was das Ziel der Frau war: Sie wollte die Ehre der Deutschen anzweifeln, sie bloà stellen.
»Ehre« und »Status«, das sind fortan zwei allgegenwärtige Konzepte in Sabines neuem Leben. Sie selbst hat einen recht hohen Status â schlieÃlich kennt sie durch ihren Reitsport viele einflussreiche Menschen. AuÃerdem ist sie Geschäftsfrau, kann sich mit nur 30 Jahren selbst ein Auto kaufen, während die meisten anderen Frauen vor jeder gröÃeren Ausgabe um Erlaubnis ihrer Männer bitten müssen. »Ich habe mein eigenes Geld verdient und musste nicht bei meinem Mann buhlen«, sagt Sabine rückblickend.
Für die Männer im Reitclub ist Sabine damals in Ãgypten eine geschätzte Gesprächspartnerin. Sie kann Kontakte nach Deutschland vermitteln, bei Geschäften beraten. Doch wenn sie länger als fünf Minuten mit einem Mann spricht, wird schnell getuschelt. Dabei hält sich Sabine an alle wichtigen Regeln: senkt den Blick, wenn sie einem Mann gegenübersteht, bleibt zurückhaltend. Länger als sechs, sieben Minuten redet sie mit keinem Fremden.
Dass sie sich an solche Regeln hält, ist auch dringend notwendig â schlieÃlich gilt es, gegen ein Klischee anzukämpfen. Denn genau wie die meisten Deutschen ein Bild von islamischen Ländern im Kopf haben, haben die Ãgypter ein Bild von Europa. »Die dachten, dass in Deutschland ein Mann über die StraÃe läuft und sich dort einfach eine Frau aussuchen kann«, sagt Sabine. »Man spricht sie an und geht dann mit ihr nach Hause, wie im Katalog oder im Schlaraffenland.« Wie kann man als einzelne Frau ein solches Bild schon revidieren?
Einer weià Sabines Anpassung besonders zu schätzen: ihr Schwiegervater. Mit ihm versteht sie sich von Anfang an bestens. Er ist derjenige, der sie auch immer wieder in Schutz nimmt, wenn jemand fragt: »Warum ist sie denn keine Muslima?« â »Das ist nicht eure Sache«, antwortet er dann. Selbst die anfangs so skeptische Schwiegermutter ist Sabine irgendwann gewogen. Vielleicht auch deshalb, weil Sabine ihr zumindest in einem Punkt keine Konkurrenz macht: »Ich habe es ihr überlassen, mit ihren Kochkünsten zu glänzen«, sagt Sabine. Kochen muss die Deutsche damals sowieso nur, wenn sie Lust dazu hat. Sie führt in Alexandria ein gut laufendes Modedesignbüro und beaufsichtigt für deutsche Firmen Kleidungsproduktionen in Ãgypten. Für die Hausarbeit kann sie sich deshalb eigene Angestellte leisten. Im Laufe der Zeit baut Sabine mit ihrem Mann auÃerdem zwei Boutiquen und ein Restaurant auf. Als Sabine ihm damals Geld aus ihren Geschäften geben will, reagiert Walid allerdings sauer. »Was mein ist, ist auch dein â dieser Grundsatz gilt im Islam nicht«, sagt Sabine. Es sei die Aufgabe des Mannes, die Frau so zu versorgen, wie es zuvor der Vater getan hat. Für Walid käme es daher einer Entwürdigung gleich, Geld von ihr anzunehmen â als könne er nicht richtig für sie sorgen. »Was der Frau gehört, gehört deshalb nur ihr allein«, sagt Sabine. »Solche Regeln kannte ich gar nicht, da war ich komplett uninformiert.«
Von auÃen betrachtet führt Sabine in Ãgypten ein Leben, um das sie auch deutsche Frauen beneiden könnten. Vielen ägyptischen Frauen aber ist ihre Eigenständigkeit nicht geheuer. Hinter ihrem Rücken, so bekommt Sabine es irgendwann mit, wird über sie gelästert: »Hast du schon das Neueste von der Deutschen gehört?« Die Frauen laden sie auf Partys ein â aber vor allem deshalb, weil sie sehen wollen, was die Modedesignerin aus Deutschland für ein Kleid trägt. Wenn diese Frage geklärt ist, wird sie
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