Tapas zum Abendbrot
gebildet â und religiös. All das ist Walid, als er und Sabine sich kennenlernen. Und all das gefällt ihr an ihm. Sabine ist Christin, Walid Moslem. An einen Gott zu glauben, das ist eine Gemeinsamkeit zwischen ihnen. Dass es sie irgendwann einmal trennen könnte, kann sich Sabine bei ihrer ersten Begegnung mit Walid noch nicht vorstellen. Dieses erste Treffen ereignet sich im Jahr 1986. Sabine, damals 29 Jahre alt und Designerin, ist nach Ãgypten gereist, um einige Geschäftspartner zu treffen. Unter ihnen ist auch Walid. Seine Ausstrahlung wirft Sabine vom ersten Moment an völlig um. Da ist dieses Gefühl, vor ihr stehe ihre andere Hälfte, ihr Zwilling â so hat sie noch nie für einen Mann empfunden. Hals über Kopf verliebt sich die Deutsche. Doch Walid macht ihr schnell klar: Will sie als anständige Frau gelten, als Frau zum Heiraten, dann dürfen sie nicht miteinander ins Bett gehen, ja, nicht einmal für längere Zeit miteinander allein sein. So verlangt es der Koran. Walid und Sabine beschlieÃen deshalb am zweiten Tag ihres Kennenlernens, dass sie heiraten werden. Nach diesem Versprechen steigt die junge Frau ins Flugzeug, das sie zurück nach Deutschland bringt. Von nun an schreiben sie und Walid Briefe, ein halbes Jahr lang. Manchmal fragt sich Sabine in dieser Zeit: Wie kann das sein, dass sie sich in nur zwei Tagen verliebt hat? Ist Walid wirklich der Mann ihres Lebens? Oder war das vielleicht alles nur ein Hirngespinst? Doch dann steht Walid am Frankfurter Flughafen wieder vor ihr, und die Gefühle sind immer noch die gleichen. Er ist nach Deutschland gekommen, weil er bei ihren Eltern um ihre Hand anhalten will. Damals übernachtet er bei Sabines GroÃeltern im Erdgeschoss, getrennt von ihr â damit der Anstand gewahrt wird. Sechs Wochen bleibt er. Am Ende steht fest: Sobald alle Papiere besorgt sind, wird er wiederkommen, Sabine heiraten â und dann mit ihr nach Alexandria in Ãgypten ziehen.
25 Jahre sind seitdem vergangen. Bis heute hat Sabine kaum jemandem davon erzählt, was in dieser langen Zeit alles passiert ist. Wie sie zum Islam konvertierte und wieder zurück zum Christentum, wie sie kontrolliert wurde und manchmal auch geschlagen, wie sie sich mit aller Kraft im ägyptischen Familienclan gegen Verschwörungen behauptete, unter Depressionen litt und schlieÃlich die Scheidung verlangte. Obwohl sie all das erlebt hat, sagt sie noch heute über Walid: »Er ist der Mann meiner Träume. Und ich möchte auch keinen anderen mehr.«
Aber zurück ins Jahr 1986: Damals haben Sabine und Walid erst einmal nur mit der Skepsis ihrer Umgebung zu kämpfen. Sabines Vater etwa ist nicht sehr glücklich mit der Hochzeit. Er macht oft Geschäfte mit Arabern, er weiÃ, in was für eine Welt sich Sabine da begeben will. »Tu mir das nicht an«, bittet er sie. Und auch von Walids Familie kommt nicht nur Freude über die Verbindung. Seine Mutter findet jedenfalls: Eine Ausländerin ist nichts für ihren Sohn.
Und dann steht da diese schlanke Deutsche mit den langen blonden Haaren vor ihrer Tür in Alexandria, als ihre neue Schwiegertochter. Obwohl Sabine und Walid in Deutschland bereits standesamtlich, kirchlich und auch in der Moschee und im ägyptischen Konsulat geheiratet haben, wird nun noch einmal auf ägyptisch gefeiert: groÃ. Sabine zieht erst ein selbst entworfenes Kleid an und dann alle Blicke auf sich. Eine blonde blauäugige Braut â in Alexandria ist das eine kleine Sensation. Nach der Hochzeit werden sie und Walid häufig eingeladen. Man ist neugierig: Wer ist diese Europäerin? Weil sie reitet, bewegt sich Sabine oft in nobler Gesellschaft. Sie ist die einzige Frau im Reitclub, hat als Geschäftsfrau schon viel erlebt und wird deshalb sehr geachtet â gleichzeitig ist sie das Klatschthema des ganzen Viertels.
Erst nach und nach lernt sie, was es bedeutet, dauerhaft in einem vom Islam geprägten Land zu leben. Einem Land, in dem der Koran das soziale Leben regelt. Und in dem Frauen und Männer meist in getrennten Welten ihren Tag verbringen.
Wenn Sabine heute von Ãgypten erzählt, dann berichtet sie auch von Bikini tragenden Frauen, von pro-westlichem Enthusiasmus, von Emanzipation. Ein solches Ãgypten gab es in den 1960er- und 70er-Jahren. »Meine Schwiegermutter sah da auf den Fotos aus wie Liz Taylor«, sagt Sabine. Sie erzählt aber auch vom
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