Tapas zum Abendbrot
angeben. So viel grün auf einmal gibt es in Spanien nun mal selten.
»Aber wann genau soll das Mittagessen denn nun beginnen?«, fragt Roberto und klingt besorgt. »Um 16 Uhr ist die Trauung, vorher müssen sie sich umziehen und fertigmachen, da bleibt ja kaum Zeit für ein richtiges Mittagessen.«
»Ach was«, entgegne ich, »die haben alle Zeit der Welt. Wenn sie gegen zwölf Uhr hier antanzen, dann können sie locker zwei Stunden bleiben und sich dann in aller Ruhe für die Trauung fertigmachen.«
»Zwölf Uhr?« Die Besorgnis in Robertos Stimme weicht purem Entsetzen. »Zwölf Uhr, da kriegen die doch nichts runter! Das ist doch kurz nach dem Frühstück!«
»Dann müssen sie eben weniger frühstücken.«
»Zwölf Uhr!« Roberto kann es nicht fassen.
»Dann eben halb eins«, lenke ich ein. Doch das beruhigt ihn keineswegs. »Halb eins!«, ruft er, immer noch mit Entsetzen in der Stimme.
»Was ist denn an halb eins so verkehrt«, frage ich, »halb eins ist eine einwandfreie Zeit zum Mittagessen.«
Dabei weià ich genau, wie durch und durch deutsch dieser Satz ist. Beim Essen ist mit den Spaniern nämlich nicht zu spaÃen. Da gibt es Zeiten, und die sind nicht zu diskutieren. Wenn wir beispielsweise am Sonntag groà und spät frühstücken und ich dann gegen späten Nachmittag wieder Hunger bekomme, dann schaut mein Freund verwundert auf die Uhr und sagt: »17 Uhr? Jetzt ist doch keine Zeit zum Essen!« Höchstens eine Merienda, eine Zwischenmahlzeit, könne man jetzt einnehmen, dafür sei es die perfekte Zeit. Etwas Warmes könne er aber unmöglich herunterbekommen. Das steht nämlich in Spanien zwischen 14 und 15 Uhr auf dem Plan. Und zu Abend isst man selten vor halb zehn. Da das Frühstück bei vielen nur aus einem Kaffee und eventuell einem Croissant besteht, wird es wohl keinen Deutschen verwundern, dass mir in Spanien des Ãfteren der Magen knurrt.
»Halb eins ist einfach keine Zeit zum Mittagessen«, wiederholt Roberto am anderen Ende der Leitung.
»Wie sollen wir es dann machen?«, frage ich. »Wenn unsere Gäste zu spanischer Zeit gegen zwei Uhr auftauchen würden, müssten sie hetzen, wenn sie für die Trauung um 16 Uhr fertig sein wollen.«
Roberto verstummt und überlegt. Die Sache scheint ein schier unlösbarer Fall. Irgendwann seufzt er schlieÃlich und sagt: »Aber dann wirklich erst halb eins.« Ich kann geradezu hören, wie zwischen den Zeilen mitklingt: Wie soll ich das nur meinen Freunden erklären â¦
Denn dass wir unter solchem Zeitdruck stehen, ist natürlich meine Schuld. Wäre es nach ihm gegangen, hätte die Hochzeit erst gegen sechs Uhr abends angefangen. Ich dagegen plädierte während der ersten Verhandlungen unschuldig für »zwei oder drei Uhr«.
»Zwei Uhr, da kann man doch keine Hochzeit anfangen, das ist ja totale Mittagessenszeit!«, protestierte Roberto damals sofort. »Drei Uhr geht ja wohl auch mal überhaupt nicht, da bliebe zwischen Mittag und Hochzeit doch keine Sekunde!«
Nun war ich diejenige, die protestierte: »14 Uhr ist eine völlig normale Uhrzeit, um zu heiraten.«
»Ach was«, sagte mein Freund, »18 Uhr, das ist eine normale Uhrzeit!«
Wir einigten uns irgendwann auf 16 Uhr â schön in der Mitte. Aber ehe wir dahin kamen, verbrachten wir sage und schreibe eineinhalb Stunden mit diskutieren. Weil jeder das Gefühl hatte, völlig im Recht zu sein.
Es war ja auch jeder im Recht.
In Spanien beginnen Hochzeiten tatsächlich erst am Abend, weil dann die Hitze des Tages vorüber ist. Man sagt mit den letzten Sonnenstrahlen »Si« und tafelt dann ausgiebig in der warmen Sommernacht, später wird bis in die Morgenstunden getanzt. In Deutschland dagegen sind noch vor dem Abendessen Kaffee und Kuchen sowie diverse Spielchen zu absolvieren, und das braucht Zeit. Der Gedanke an Spielchen wiederum machte Roberto reichlich nervös, auf keinen Fall wollte er zu irgendetwas Peinlichem gezwungen werden. Ich konnte ihn nur beruhigen, dass ich Peinliches ausdrücklich verboten hatte, kreative Beiträge aber durchaus erwünscht waren. Dass es langweilig werden könnte, führte mein Freund dann noch an, was sollte man denn die ganze Zeit machen, wenn es schon am Nachmittag losgehe? »Kreative Beiträge«, wiederholte ich, was ihn aber noch
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