Tapas zum Abendbrot
verblühter Blumen zurück. Als hätte er nur schnell nach dem Nächstbesten gegriffen. Den verkümmerten Strauà zu bekommen war für Katharina fast schlimmer als gar keine Blumen. So viel Zeit nimmt er sich also für mich, dachte sie. Natürlich war sie sauer.
Irgendwann bekam sie allerdings aus ihm heraus, dass es ihm furchtbar peinlich war, in einen Blumenladen zu gehen. Denn in Südafrika kaufen Männer vor allem dann Blumen, wenn sie einen Fehler gemacht haben. Wenn sie sich für etwas Schlimmes entschuldigen wollen. Der Mann schämte sich also jedes Mal, wenn er ein Blumengeschäft betrat. Dann griff er nur nach irgendeinem StrauÃ, um schnell wieder gehen zu können. Und dachte dabei ständig: Was die anderen Leute wohl von mir denken?
Und die Moral von der Geschichte: In jeder Ecke, oft ganz versteckt und dort, wo man es nie vermutet hätte, warten auf internationale Paare Ãberraschungen. Wie in einem Computerspiel, in dem man sich von Level zu Level voranarbeiten muss. Erst einmal sind da die Basics zu überwinden: In Level eins gilt es herauszufinden, welche Vorstellungen der andere überhaupt vom Leben zu zweit hat. In Level zwei entdeckt man, was er für eine »ganz normale« Wochenend- oder Feierabendgestaltung hält. In Level drei wird erkundet, welche Rolle Eltern, Geschwister, Cousins oder etwa die Kirchengemeinde in seinem Leben spielen. Und im nächsten Level lernt man, dass Blumenstrauà eben nicht gleich Blumenstrauà ist.
Wäre Isabels Leben in Deutschland ein Computerspiel, dann würde sie sich bereits im Fortgeschrittenenstadium befinden. Denn Isabel hat schon vieles gelernt. Wie an dem Tag, an dem ihr Mann Adrian eine E-Mail an seine Mutter schrieb.
Er sagte ihr darin, dass Isabel doch Vegetarierin sei und man ihr bitte nicht wie beim letzten Besuch eine Linsensuppe mit »nur a kleines bissle Speck« vorsetzen solle. AuÃerdem listete er auf, was alles im Hause sein sollte, wenn sie mit ihrer kleinen Tochter Mari-Luz demnächst zu Besuch kämen. Kürbis etwa, das möge sie besonders gern, und auch Zutaten für Suppen sollten vorrätig sein. Adrian war nach dem Schreiben dieser Mail sehr zufrieden mit sich: Er hatte klipp und klar gesagt, was gesagt werden musste, seine Mutter war nun gut vorbereitet, und seine Frau Isabel würde es in Zukunft im Hause seiner Eltern hoffentlich einfacher haben.
Isabel aber war entsetzt. Eine E-Mail? Adrian hatte seiner Mutter ganz formell geschrieben, statt sie einfach anzurufen? Ja, wo machte man denn so was!
In Bolivien, wo Isabel herkommt, bestimmt nicht. »Man« spricht dort viel und vor allem im direkten Kontakt. »Man« lobt auch lautstark das Essen, das vorgesetzt wird, verbringt viel Zeit mit der Familie, »man« nimmt beim Ausgehen den Partner mit und zieht nicht allein mit seinen Freunden um die Häuser. Und wenn auf acht Uhr eingeladen wird, dann ist »man« selbstverständlich erst deutlich nach acht da.
Man â ein kleines Wort mit groÃer Wirkung. Was in Isabels Heimat als üblich gilt, das hat sie mitgebracht, als sie in das Land ihres Mannes zog, wie ein unsichtbares Gepäck. Vorgefunden hat sie: Ehrlichkeit, wenn das Essen nicht ganz so mundet, eher unregelmäÃigen Kontakt mit der Familie sowie Unabhängigkeit bei der Abendplanung. Was »man« eben so macht in Deutschland, das war für Isabel eine neue Welt. Eine, die sie sehr gewöhnungsbedürftig fand.
Als sie und Adrian ihr gemeinsames Leben in Deutschland begannen, krachte es deshalb häufig und auch heftig zwischen ihnen. Bis heute kann Isabel nicht verstehen, wie Adrian so gemein sein kann, wenn er sagt: »Heute Abend treffe ich mich mit ein paar Freunden. Bis später!« Wenn er sie nicht einmal fragt, ob sie mitkommen will. In Bolivien wäre das undenkbar. Warum, fragt sie ihn dann, kann ich heute nicht mitgehen, wo wir doch neulich gemeinsam in der gleichen Kneipe waren? Was ist heute so anders? Adrian dagegen findet es selbstverständlich, dass man sein Sozialleben auÃerhalb der Beziehung nicht aufgibt. Klar will er mit seinen Jungs auch mal ein paar Bier trinken, und zwar ohne Frauen! Er schlussfolgert: Isabel ist eifersüchtig. Sie dagegen denkt: Wie kann er mich nur so allein lassen? Liebt er mich nicht mehr richtig?
Isabel findet es kalt in Deutschland, nicht nur vom Wetter her. Wenn sie jemanden zur BegrüÃung umarmt und ihm
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