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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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unsere Probleme in Deutschland daher kommen, dass wir kein Geld haben«, sagt Susanne. »Aber dann hatten wir Geld, und das veränderte eigentlich gar nichts.« In Deutschland kann Amit – ohne perfekt deutsch zu sprechen – nicht die Filme drehen, die er drehen will. Er hat das Gefühl, dass er nur einen Bruchteil von dem nutzen kann, was er als Filmemacher draufhat. Und was Freunde betrifft: Nach sieben Jahren in Deutschland kann er die immer noch an einer Hand abzählen. Deshalb beschließen Susanne und Amit schließlich, dem Schwabenland »Adele« zu sagen. Ihr neues Zuhause heißt Darjeeling.
    Dort steht Susanne nun in der Küche und schnipselt frisches Gemüse: Kartoffeln, Blumenkohl, Möhren. Wie jeden Tag. Das Haus, in dem sie, Amit und der kleine Rohan jetzt leben, hat mehrere Badezimmer und eine große Küche, es wirkt fast ein wenig amerikanisch. Allerdings nur von Weitem betrachtet. Denn wer näher hinschaut, der sieht: Hier gibt es keine Klimaanlage, keine Isolierung. Die Türen passen nicht richtig in die Rahmen, unter der Haustür etwa kommt so viel Staub und Dreck von der Straße herein, dass Susanne eigentlich permanent putzen könnte. Fürs Staubwischen bleibt aber kaum Zeit, denn sie ist den halben Tag mit Kochen beschäftigt, und während der anderen Hälfte kauft sie ein. In ihrer Anfangszeit hat sie sich dafür tatsächlich noch ein Fahrrad gekauft, hat sich auf der Straße zwischen den Fußgängern, den Autos, den Mopeds und den Kühen durchgequetscht. Die Leute sagten schon: »Ach guck mal, da kommt wieder die Weiße auf dem Fahrrad!« Fahrrad fahren, das tun hier nur die Armen. Mittlerweile lässt Susanne das Fahrrad aber stehen – zu gefährlich. Jetzt setzt sie sich jeden Morgen in den Jeep und fährt zum Einkaufen. Erst zum Gemüsemann, dann zum zweiten Gemüsemann, dann zum Fleischer, dann in den Laden mit den Kolonialwaren. Überall wird sie angestarrt. Überall muss sie handeln und feilschen, damit sie als Weiße nicht den dreifachen, sondern nur den doppelten Preis bezahlt. Supermärkte gibt es in Darjeeling nicht, genauso wenig wie Tiefkühlpizzen, Knorr fix und Selbstbedienung. Susanne erklärt dem Verkäufer, was sie braucht: »Namal, Phal Chaval, Del.« Wenn der Verkäufer sich von dem Schock erholt hat, dass Susanne Hindi spricht, zieht er los, sucht Salz, Obst, Reis und Öl zusammen.
    Zwei Stunden braucht Susanne zum Einkaufen. Jeden Tag. Denn der Strom fällt so oft aus, dass man sich auf den Kühlschrank nicht verlassen kann. Dafür erweisen sich Hitze und Fliegen als umso zuverlässiger: Nach einem Tag ohne Kühlung sind Karotten und Tomaten hin. Wenn sie so in der Küche steht und kocht, denkt sie oft, dass sich in ihrem Leben etwas ändern muss, dass sie wieder arbeiten möchte, dass sie sich Freunde suchen muss. »Ich gehe sonst ein«, sagt sie. »Denn ich bin ja charakterlich eigentlich kein Einzelgänger.«
    Susanne lebt jetzt in einem Wohngebiet, das von einer hohen Mauer und Wachpersonal beschützt wird. Sie lebt in einem Land, in dem Frauen abends nicht mehr auf die Straße gehen, weil sich das zum einen nicht gehört und es zum anderen einige üble Fälle von Gruppenvergewaltigungen gegeben hat. Einem Land, in dem Eltern ihre Töchter nicht zu Freunden zum Spielen lassen, weil sie Sorge haben, dass es in dem Haus merkwürdige Onkel oder Cousins geben könnte. Einem Land, in dem von Frauen erwartet wird, dass zweimal täglich eine warme, frisch gekochte Mahlzeit auf dem Tisch steht.
    Gerade deshalb machen sich in Schwaben viele Sorgen, seit Susanne in Indien ist. »Das ist doch furchtbar schwierig für dich, da herrscht doch ein ganz anderes Frauenbild. Und wie wächst der Kleine da auf, der kann doch gar nicht draußen rumlaufen!« Solche Sätze hört Susanne immer wieder. »Man muss aufpassen, dass man dann nicht selbst denkt: O Gott, was tue ich meinem Kind da an«, sagt sie. Manchmal nervt es sie, dass sich alle Sorgen um sie machen. Vor allem, weil kaum jemand darüber nachgedacht hat, dass es doch auch für Amit schwierig war in Deutschland. Da dachten immer alle: Mensch, wie toll ist das für den armen Inder, im reichen, sauberen Deutschland zu leben!
    Amit hatte sie gewarnt, als sie anfangs völlig euphorisch ihre Koffer packte. Er wusste, was auf sie zukommen würde.

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