Tapas zum Abendbrot
Jahren Au-pair-Mädchen in Deutschland gewesen. Den Rest übersetzte Sven. Auch seine Eltern gaben sich Mühe, servierten Kuchen, versuchten sich mit Händen und FüÃen zu verständigen. Es war noch nicht oft vorgekommen, dass ihr Sohn eine Frau zu Hause vorstellte.
»Sie ahnten ja auch noch nicht, wie der Tag enden würde«, sagt Sven. Als die Geburtstagsparty abends nämlich langsam Fahrt aufnahm, da entschloss er sich, die Musik leiser zu drehen, Ruth an die Hand zu nehmen und sich an seine Gäste zu wenden. »Ich habe mich dann natürlich erst einmal bedankt, dass alle gekommen sind. Und bis dahin waren meine Eltern auch noch ganz entspannt. Doch dann sagte ich, dass ich Ruth am Nachmittag gefragt hätte, ob sie meine Frau werden möchte.«
Ich verschlucke mich fast am Campari. »Was? Deine Eltern kannten Ruth doch gerade mal fünf Minuten! Waren die nicht total überrumpelt?«
»Nicht nur die«, sagt Ruth. »Ich hätte auch nicht damit gerechnet, dass er mich an dem Tag fragt, ob ich ihn heiraten möchte, ein paar Minuten, nachdem ich seine Eltern kennengelernt habe.«
»Sven«, sage ich entsetzt. »Welche Drogen hast du an dem Tag denn bitte schön genommen?«
Sven grinst und erzählt, wie seine Eltern vor den anderen Partygästen einigermaÃen die Contenance bewahrten, obwohl die beiden gelinde gesagt ziemlich überrascht gewesen seien und man durchaus hätte verstehen können, wenn ihnen die Gesichtszüge entglitten wären. SchlieÃlich hatten sie diese junge Frau gerade zum ersten Mal getroffen.
Und ihr zweites Treffen, so hatte Sven das damals geplant, sollte bereits die Hochzeit in Südafrika sein.
»Warum musstet ihr denn überhaupt gleich heiraten?«, frage auch ich jetzt.
»Ich war halt ungeduldig«, antwortet Sven und gieÃt noch einmal Campari-O nach. »Wenn ich eine Entscheidung getroffen habe, dann ziehe ich das durch. Und was blieb uns auch anderes übrig?« Im Prinzip, sagt er, sei ihre Hochzeit ja eine Scheinheirat aus Liebe gewesen: Sie waren zwar verliebt, aber wenn sie nicht gemusst hätten, nein, dann hätten sie nie und nimmer so schnell geheiratet.
»Wir hatten ja keine Alternative«, sagt Ruth. »Wir mussten heiraten, damit ich hierherkommen konnte, damit wir zusammenleben konnten. Wir waren keine 20 mehr. Und wir wollten nicht ewig mit dieser Fernbeziehung weitermachen.«
Nun ist Ruth also in Deutschland. Ein paar Monate hatte es nach der Hochzeit noch gedauert, ehe sie die Sprachprüfung absolviert und alle Papiere zusammenhatte. Dann packte sie ihre Koffer. Alle warmen Pullis, die sie besaÃ, kamen darin unter, und ein Stapel Fotos. Doch das, was ihr am wichtigsten war, das konnte sie nicht einstecken: Sie musste ihre Mutter und ihre Geschwister zurücklassen, ihre Freunde, den Sonnenschein, die südafrikanische Lebensfreunde, ihre Kirchengemeinde, ihren Job in einem Logistikunternehmen und damit auch ihre Unabhängigkeit.
Bis sie in Berlin einen Job fand, dauerte es noch einmal eine gefühlte Ewigkeit. Bis dahin musste Ruth von Svens Gehalt leben. Denn wer stellt schon eine Frau ein, die gebrochen deutsch spricht, in Deutschland keine Berufserfahrung hat und vermutlich ohnehin bald Kinder bekommen wird? Es war schon richtig, dass Ruth Sven vor allem geheiratet hatte, weil sie ein Visum brauchte, um mit ihm zusammen sein zu können. Aber dass sie ihn geheiratet hatte, weil sie unbedingt in Deutschland leben wollte â das stimmte ganz und gar nicht.
Träge streiche ich über meinen Bauch.
»Na, vollgefuttert?«, fragt Sven grinsend.
»Ich muss zugeben, dass ich die Kombination aus Fritten und Brötchen unterschätzt habe«, sage ich. »Schmeckt echt lecker.«
Sven lacht. »Dann werde ich mal die Schlafcouch ausziehen.«
Langsam stehe ich vom Esstisch auf. Puh, der Campari ist mir doch ganz schön zu Kopf gestiegen. An den Südafrikabildern und der Vuvuzela vorbei bahne ich mir den Weg ins Badezimmer und werfe mir erst einmal eine Ladung kaltes Wasser ins Gesicht. Dann schaue ich in den Spiegel. »Schäm dich«, denke ich. »Was für fiese Gedanken du nur über Ruth hattest. Sven kann froh sein, dass er die gefunden hat!« Hinter mir klopft es an der Tür. »Herein«, rufe ich und greife nach meiner Zahnbürste.
Ruth steckt ihren Kopf zur Tür hinein. »Hier, für dich«, sagt sie und
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