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Tapas zum Abendbrot

Tapas zum Abendbrot

Titel: Tapas zum Abendbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Basel Nicole Frick Marike
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Ich verstehe alle Schilder, alle Durchsagen, alle Leute um mich herum. Wie einfach auf einmal alles ist, wenn man wieder in Deutschland ist! Ein netter Mann erklärt mir, wo ich lang muss. »Mit der S-Bahn bis Alexanderplatz, dann U8 und dann biste quasi schon da, sach ick ma«, berlinert er. Auf dem Weg zur S-Bahn läuft ein Punk vor mir, dessen Hose am Hintern so große Löcher hat, dass man eine Unterhose definitiv ausschließen kann, eine Frau zieht einen ganzen Bollerwagen voller Kokosnüsse hinter sich her, eine andere ist von der Brille bis zu ihren Stilettos in Gold gekleidet. Berlin ist so eine unfassbare Stadt, denke ich. Wären Amit und Susanne mal nicht nach Dettenhausen gezogen, sondern in die Hauptstadt! Hier reicht es nicht aus, ein bisschen indisch auszuschauen, um auf der Straße angegafft zu werden. Da müsste man schon eher nackt mit einem Teddybär Tango tanzen.
    Als ich in der Nähe von Svens und Ruths Wohnung aus der U-Bahn steige, begrüßt mich die Stadt mit sintflutartigem Regen. Hoffentlich ist der einigermaßen wasserdicht, denke ich und werfe einen Blick auf meinen Koffer. Schließlich ist darin das Kleid, das ich übermorgen auf der Hochzeit anziehen will. Über die ersten Pfützen hieve ich meinen Rollkoffer noch hinweg, dann gebe ich auf und ziehe ihn einfach möglichst schnell durch die Wasserlachen. Meine Schuhe sind so vollgesogen, dass sie bei jedem Schritt quietschen, als ich endlich vor Svens und Ruths Haustür stehe und klingele.
    Â»Hi«, sagt Sven durch die Gegensprechanlage. »Du musst einfach bis ganz nach oben kommen.« War ja klar, dass die im Dachgeschoss wohnen, denke ich, und wuchte meinen Koffer die ersten Stufen hoch. »Mensch, sag doch was, ich hätte dir doch geholfen«, sagt Sven, als ich schnaufend oben ankomme. »Lass dich drücken. Ich hoffe, du hast Hunger. Es gibt Chiproll, das ist quasi ein südafrikanisches Nationalgericht.«
    Als ich ihm ins Wohnzimmer folge, traue ich meinen Augen nicht. In unserer Wohngemeinschaft war Sven nicht gerade für seine geschmackvolle Zimmerdekoration bekannt. Sein WG-Zimmer hätte ich jedenfalls eher als vollgerümpelt denn als eingerichtet bezeichnet. Hier aber hat wohl Ruth Hand angelegt: Überall stehen kleine Elefanten, Puppen, Schmuck. Fotos von Südafrika hängen an der Wand, in der Ecke sehe ich eine Vuvuzela. Ruth begrüßt mich mit einem herzlichen Lachen und einer festen Umarmung – obwohl wir uns noch nie gesehen haben und ich komplett durchnässt bin. Schnell rubbele ich mir im Badezimmer die Haare trocken und ziehe mir eine andere Hose an.
    Als ich wieder herauskomme, strahlt Ruth noch immer. »Welcome«, sagt sie. »Setz dich schon mal an den Esstisch.« Dort stehen schon Ketchup, Salatblätter und Brötchen bereit. Ruth geht in die Küche und kommt mit einer Schüssel Pommes wieder. Chiproll, lerne ich, sind nichts anderes als Brötchen, gefüllt mit Salat und Fritten, quasi ein Pommesburger. Ein merkwürdiges Nationalgericht, denke ich. Doch da beginnt Ruth mit ihrem schönen britischen Akzent auch schon zu erzählen, wie das eigentlich war mit ihr, Sven und der Hochzeit. Wie sie etwa zu ihrer kirchlichen Trauung 20 Minuten zu spät kam und Sven dennoch nicht in Panik ausbrach. »Er war das ja schon gewohnt«, sagt sie. »Zum Standesamt am Tag vorher hatte ich eine volle Stunde Verspätung gehabt.« Nein, Orientierung sei wirklich nicht ihre Stärke. Aber sie nehme das gelassen. »Pünktlichkeit wird hier in Deutschland eh überschätzt. Die Deutschen müssen sich mal entspannen.« Irgendwie ist sie süß, diese Ruth. Und je netter ich sie finde, desto mieser fühle ich mich. Denn mir wird klar, dass es nicht die Liebe ist, die ein Arschloch ist. Sondern ich.
    Was hat mich nur dazu bewogen, zu denken, dass diese Hochzeit auf jeden Fall eine Schnapsidee sein müsse? Ist mein Horizont so klein, dass ich sofort billige Klischees zücken muss, an Aufenthaltsdokumente und Scheinehe denke, wenn ein alter Freund eine Frau aus Afrika heiratet? Gut, dass ich niemandem von meinen Bedenken erzählt habe.
    Denn Ruth ist nicht das Püppchen, das ich mir ausgemalt hatte. Sie ist ein paar Jahre älter als Sven, eine gestandene Frau mit wilder Afrofrisur und Brille, eine, die viel lacht, intelligente Sachen sagt, die Sven ordentlich Kontra gibt und für die Deutschland

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