Taquanta: Zwischen Traum und Wirklichkeit (German Edition)
Calvin. James schien zwar ein Mensch zu sein, obwohl er eher blass war. Er war sogar ganz klar ein Mensch, denn er war ehrlich gesagt nicht einmal ansatzweise so schön wie ein Gott – oder Giardio – mit seinem kurzen, minimal gelockten schwarzen Haar, das von Weiss durchzogen war, und der sehr markanten Nase, aber irgendwie schien er mir dennoch nicht so angenehm. Irgendetwas war seltsam an der Art, wie er mich musterte. Sein Lächeln schien falsch und unaufrichtig. Beim Klang seiner Stimme, die von Süsse und Schmeicheleien triefte, schauderte ich. Ich war überzeugt, dass mit ihm etwas nicht stimmte, diese eklige Höflichkeit konnte nicht echt sein, aber weil die Königin und alle anderen in diesem Raum ihm zu vertrauen schienen, beschloss ich, dasselbe zu tun. Zumindest vorläufig.
Die Königin räusperte sich: »Meine Lieben, wir haben uns beinahe die ganze Nacht beraten und unser Entschluss … nun, er schmerzt mich sehr, denn Taquanta istein Land, eine Seele. Und daher bedauere ich es zutiefst, dass es keinen anderen Ausweg gibt. Aber die Vampire«, sie schaute flüchtig zu James, »sind nun einfach zu weit gegangen. Der Angriff auf dich, Lizzy, brachte das Fass zum Überlaufen. Dies war nun schon der elfte Angriff seit dem letzten Frühling. Und dabei dürfen sie ausschliesslich Klutriensaft trinken.« Sie sah mich mit einem schwachen Lächeln an. »Klutriensaft ist eine Art Blutersatz, gewonnen aus dem Stamm der Klutrien, einem Baum, der nur in Blutrien wächst.«
Ich lächelte sie dankbar an.
»Lange Rede, kurzer Sinn: Wir haben abgestimmt und sind ohne eine einzige abweichende Stimme zu dem Entschluss gekommen, dass wir«, sie atmete tief ein, »in den Krieg ziehen werden.«
Ich war geschockt. Ein Krieg? Wegen mir? Das konnte nicht sein! Scharf zog ich die Luft ein und biss mir schuldbewusst auf die Lippe. Doch nicht meine, sondern Giardios Reaktion erschreckte mich zutiefst. Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, er ballte die Fäuste zusammen, spannte seinen Kiefer an und schaute stur auf die Tischkante. Seine Haare fielen ihm ein wenig ins Gesicht, doch sie konnten nicht verbergen, was er so stark zu unterdrücken versuchte: Eine einzelne Träne rollte ihm die Wange hinab. Doch so plötzlich, wie seine seltsamen Reaktion sich gezeigt hatte, so schnell war sie wieder verschwunden. Als er nun wieder aufblickte, lag nichts als Kälte in seinem Blick.
»Wann geht’s los?«, fragte er, sichtlich bemüht, sich nichts anmerken zu lassen.
»Im Morgengrauen, nach der kommenden vierten Nacht. Wir haben schon Boten in alle Teile des Königinnenreiches ausschicken lassen, und die Truppen werden im Laufe des morgigen Tages ankommen. Morgen Abend wird das Schlachtenmahl stattfinden.«
»Blutrien wurde auch informiert?«, fragte Giardio scharf, einen eisigen Blick in James’ Richtung werfend. Rund um den Tisch herum wurden Köpfe geschüttelt. Scheinbar mit der Information zufrieden, nickte Giardio.
»Eure Hoheit, mit allem Verlaub, Sie müssen sich in Sicherheit bringen. Wo werden Sie sich während der Schlacht befinden?«, fragte er.
»Das wissen wir noch nicht«, teilte uns Herzog Hugen Dereleo mit. Fast zeitgleich antwortete die Königin: »Im Herzen der Schlacht, natürlich!«
»Eure Majestät, kommt gar nicht in Frage!«, rief Gräfin Narischa Versaci.
»Mit allem Respekt, dies ist undenkbar, Eure Hoheit!«, mischte sich Giardio wieder ein. Darauf brach ein heftiges Wortgefecht aus. Keiner konnte sich darüber einig werden, wo nun der beste Aufenthaltsort für die Königin sei. Nur zwei in der Gruppe hielten sich aus der Diskussion raus. Ich, die sowieso nicht viel zu sagen hatte, denn ich kannte ja die hier herrschenden Gesetze nicht, und James. Er beobachtete mich aufmerksam, und auch als ich ihm direkt ins Gesicht starrte, wich er meinem Blick nicht aus. Obwohl ich mit mir selbst vereinbart hatte, dass ich ihm vertrauen würde, sagte mir mein Herz etwas anderes. Dieser Blick er war so … kalt, voller Hass und Neugierde. Dieses Lächeln schien fast hämisch, als wüsste er irgendetwas, das für mich von Bedeutung sein könnte. Doch was? Er kannte mich seit knapp einer Stunde. Oder nicht? Ich sah, wie sich seine Lippen bewegten, doch was sagte er? Und vor allem, zu wem sprach er? Ichgrübelte immer noch darüber nach, als mich jemand sanft anstiess. Erst jetzt merkte ich, dass es fast vollkommen still geworden war.
»Ich wiederhole, was denken Sie darüber, Mylady?« Die Frage durchschnitt
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