Taquanta: Zwischen Traum und Wirklichkeit (German Edition)
Lichtung irgendwo im Lichten Wald – so hiess dieser schier endlose Wald, der die Region der Königin von den anderen trennte. Giardio hatte mir schon so viele Dinge gezeigt: Felder, auf denen die Bauern verschiedene Sorten von Gemüsen und Getreide anbauten; Teile des Waldes, in denen es winzige Seen gab, in denen man schwimmen konnte, und wir waren auf einen kleinen Berg hinaufgeritten, von dem aus man das indigoblaue Meer sehen konnte. Alles war traumhaft hier, obwohl mir der Wald am besten gefiel – er hatte etwas Magisches an sich. Anscheinend lebten dort sehr viele Kreaturen, auch einige gefährliche, doch wenn man wusste, wie mit ihnen umgehen, war es kein Problem. Und da ich Giardio vertraute, sass ich ganz entspannt im Gras, hörte dem Wind, dem Plätschern des Bachs, der sich ganz in der Nähe befand, und seinem Flötenspiel zu. Er hatte eine selbstgeschnitzte Flöte aus der Satteltasche gezogen und spielte eine simple Melodie, die den Tieren anscheinend ebenso gefiel wie mir, denn einige hatten sich schon um uns versammelt, und ein kleines Reh legte sogar seinen Kopf in Giardios Schoss. Alle Lebewesen in diesem Wald schienen ihm grenzenlos zu vertrauen, während sie vor mir grossen Respekt hatten. Gedankenverloren berührte ich mein linkes Ohr am versteinerten Teil und es schauderte mich. Ich tauchte meine Hand ins kühle Wasser des Teichs. Es war angenehm erfrischend, und ich spritzte ein bisschen herum, als plötzlich etwas nach mir griff. Es fühlte sich an wie eine Hand, jedoch schleimig und glatt und mit kleinen Schuppen überzogen. Lange Finger spreizten sich und packten mein Handgelenk immer fester, während sich etwas in meine Haut bohrte.Wenn dies eine Hand war, dann mussten es Fingernägel sein, die sich in mein Handgelenk gruben. Sehr wahrscheinlich falsche Fingernägel, wie die eines Supermodels. Doch was machte ein Supermodel in Taquanta in einem Teich im Lichten Wald? Das Ganze ging so schnell, dass ich kaum Zeit hatte zu fragen »Was ist
das?
«. Schon zog dieses Etwas so ruckartig an mir, dass ich Kopf voran in den Teich fiel. Ich schlug um mich und kämpfte mich mit schnellen Schwimmbewegungen an die Oberfläche. Zwar wurde ich nun nicht mehr festgehalten, doch ich hatte das seltsame Gefühl, dass dieses unerhörte Ding noch in der Nähe war. Keuchend schnappte ich nach Luft, paddelte mit den Armen, und Wasser spritzte um mich herum. Ich sah Giardio am Ufer stehen, mit einem Gesicht, dass zu einer Maske des Entsetzens erstarrt war. Er streckte die Hand nach mir aus und versuchte dabei verzweifelt, nicht selbst ins Wasser zu fallen.
»Giardio! Hilfe!«, kreischte ich.
Schon wurde ich wieder unter Wasser gezogen. Ich schlug erneut um mich und trat nach dem Wesen, das nun meinen Fuss umklammerte, riss meine Augen auf und suchte in der Dunkelheit des Wassers nach ihm. Und da erblickte ich es, besser gesagt, ich hörte es zuerst: einen hohen, singenden und betörenden Ton, dann sah ich die feuerrote Haarmähne. Sie streifte meine Haut, und ich spürte, wie seidig das Haar war. Für einen Moment war ich so fasziniert von den riesigen, grünen Augen, die mir schon begegnet waren, dass mir nicht auf Anhieb einfiel, was an dieser Situation falsch war. Gefährlich war. Ich wurde von Sekunde zu Sekunde müder. Meine Augen begannen zuzufallen, und ich schaffte es kaum, an die Oberfläche zu gelangen. Ich strengte mich an, gab mirsolche Mühe, strampelte mit beiden Beinen, bewegte die Arme, und endlich spürte ich, wie meine Fingerspitzen die Wasseroberfläche durchschnitten. Ich streckte meinen Arm über den Kopf und konnte schon fast einen Atemzug nehmen, hörte noch, wie Giardio schrie: »Sie ist eine Nymphe! Halt dir die Ohren zu!«, als mich das Etwas wieder packte und seinen Gesang wiederaufnahm. Nymphe! Eine Nymphe! Sie wollte mich einschläfern! Vor Schreck sog ich Luft, in diesem Fall eher Wasser, ein und begann zu husten. Meine Lungen brannten wie Feuer und schwarze Flecken tanzten vor meinen Augen. In meinen Ohren rauschte es, und ich dachte nur an eins: Schlafen. Es kostete mich meine ganze Kraft, diesem Wunsch nicht einfach nachzugeben, doch schliesslich konnte ich nicht mehr ohne Luft verharren, konnte die Augen nicht mehr offen halten, konnte nicht mehr gegen das Zerren an meinem Bein ankämpfen. Genüsslich schloss ich die Augen, als ich spürte, wie mich etwas am Arm packte. Die Nymphe hatte schon mein Bein, wofür brauchte sie noch meinen Arm? Ich wurde hin und her gezogen, bis
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