Taquanta: Zwischen Traum und Wirklichkeit (German Edition)
nickten zustimmend, und er liess, zum Glück, von mir ab und wandte sich an seinen Tischnachbarn, mit dem er ausgiebig Geschichten von alten Freundschaften wiederaufleben liess. Ich warf Giardio einen erleichterten Blick zu und formte stumm mit den Lippen das Wort ›Danke‹.
Im Verlauf des Abends wechselte ich mit den meisten Leuten, James durch grösste Anstrengungen meinerseits ausgeschlossen, einige Worte und setzte mich mal auf diesen, mal auf einen anderen Platz. Dafür, dass hier im Raum die wichtigsten Leute des Landes sassen, war es eigentlich sehr zwanglos und unkompliziert. Bis auf das Menü. Im Ganzen gab es sieben Gänge, allesamt Gerichte, von denen ich noch nie zuvor gehört hatte. Ich ass köstliche Speisen mit Gemüse und Früchten, verschiedene Weizengerichte mit verführerischen Saucen, und zum Nachtisch wurde eine riesige Schwandrientorte serviert. Das ist eine Torte aus weichen, eisgekühlten, leicht süsslichen Ingredienzien, die sie Steine nennen. Es klang für mich ziemlich unappetitlich, aber es war definitiv etwas vom Leckersten, das ich je probiert hatte. Mir fiel jedoch auf, dass kein Fleisch oder Fisch serviert wurde, denn – so hatte mir die Königin erklärt – von der Kriegserklärung an durfte niemand mehr etwas zu sich nehmen, das einst lebendig gewesen war. Pflanzen waren hierbei ausgeschlossen, denn davon hatten wir reichlich. Der Grund dafür war, dass man somitauch keine Lebewesen tötet, genau wie es eigentlich im Krieg laufen sollte. Erst am Schlachtenmahl wird dieses Verbot wieder aufgehoben.
Obwohl es alles in allem ein sehr schöner Abend mit vielen spannenden Gesprächen war, freute ich mich doch, als ich endlich meinen Kopf auf das weiche Kissen legen und die Augen bis zum nächsten Morgen schliessen konnte. Giardio und ich hatten vereinbart, dass wir am nächsten Tag niemandem im Weg stehen wollten, wenn alle eintrafen, und er würde daher, »wenn der Mond halb herum und die Sonne triefend auf den Schlossturm sei«, mich von Millicent wecken lassen. Ich hatte zwar überhaupt keine Ahnung, wann das sein würde, aber mir gefiel der Gedanke, den Tag abermals mit ihm zu verbringen. Er hatte versprochen, dass er mir noch mehr von Taquanta zeigen würde, dieses Mal, so hofften wir beide, ohne Zwischenfälle, bei denen es um mein Leben ging. Und bevor ich mich versah, sank ich in einen tiefen Schlaf, in dessen Träume sich immer wieder ein umwerfender Junge einschlich.
Auch im Nachhinein konnte ich nicht nachvollziehen, was mich in dieser Nacht aus dem Schlaf gerissen hatte. Ich wusste nicht mehr, wieso ich die Augen, plötzlich hellwach, aufschlug, sondern nur noch, dass ich es getan hatte. Der Vorhang neben meinem Bett war einen Spaltbreit geöffnet, so dass ein silbernes Licht auf mich und das Bett fiel. Und auf die Person, die geduckt neben mir stand und mein linkes Handgelenk fest im Griff hielt. Ein Schrei bildete sich in meiner Kehle und gerade, als er sich seinen Weg ins Freie bahnen wollte, hielt mir der Unbekannteden Mund zu. Ich wollte zubeissen, doch die Hand rückte keinen Zentimeter von mir ab, und daher konnte ich mein Vorhaben nicht zu Ende bringen. Gerade wollte ich wild strampeln und mit den Beinen treten – denn meinen rechten Arm hatte die Person ebenfalls unter Kontrolle –, als ich spürte, dass sie gefesselt waren. An die Stricke mussten Gewichte angebracht worden sein, denn ich konnte auch mit grösster Mühe die Beine nicht bewegen. Sie fühlten sich schwer an und wurden nach unten gezogen. Ich blickte dem Unbekannten ins Gesicht, doch weil er einen langen Mantel und einen Hut, den er tief ins Gesicht gezogen hatte, trug, konnte ich nichts erkennen, ausser dass es ein Mann war. Panik überfiel mich und setzte sich in jeder Faser meines Körpers fest. Mein Atem kam stockend und meine Augen waren geweitet. Was wollte er von mir? Und wer war er überhaupt? Hatte jemand herausgefunden, dass ich aus einer anderen Welt kam, und wollte mich loswerden? Oder war es ein Traum? Eine Halluzination? Probeweise kniff ich die Augen fest zusammen und hörte gleich darauf ein kaum wahrnehmbares Lachen. Automatisch riss ich sie wieder auf, aber an der Situation hatte sich nichts geändert. Fast nichts. Der Unbekannte zog etwas aus seinem Mantel, und ein Gegenstand blitzte im Mondlicht auf. Ein Messer. Oder ein Dolch. Jedenfalls etwas Scharfes, Tödliches. Langsam senkte er die Spitze des Dings auf meinen linken Unterarm. Ich wollte mich losreissen, mich wehren,
Weitere Kostenlose Bücher