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Taqwacore

Taqwacore

Titel: Taqwacore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Muhammad Knight
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Muslim war. Während er die einzelnen Positionen vollzog, schwoll in meinem Inneren ein hässliches Gefühl heran. Die Hände auf den Knien, starrte ich auf den Boden und spürte, wie das grässliche Ding anwuchs und in meinen Gedärmen rumorte. Beim Aufstehen – S ami Allahu liman hamidah  – blickte ich auf Hannibals Rücken und fühlte, wie das grässliche Ding sich bis in meine Lungen ausdehnte. Dann legte ich meine Stirn auf den Boden, Subhana rabbi al’ala , Subhana rabbi al’ala, Subhana rabbi al’ala, und schon bevor wir den ersten Raka beendet hatten, hasste ich ihn. Ich spürte Jehangir Tabaris Körper zu meiner Linken und ich hasste auch ihn, weil ich wusste, dass es ihm nichts ausmachte, hinter einem Kafir zu beten. Ich wäre am liebsten aus dem Haus gestürmt und die Straße hinunter gerannt, bis ich einen Muslim fand, der richtig betete, richtig aß, sich richtig kleidete und Dinge über den Islam sagte, die einem ein gutes Gefühl vermittelten – den echten Islam, nicht diesen punkigen Jehangirismus, für den ich meine Eltern und meine Kultur verraten hatte. Ich hatte mich so weit von allem entfernt, was wichtig war, dass ich ein nacktes Mädchen in meinem Bett gehabt hatte, mit riesigen Brüsten und grässlichen Dreadlocks, das versucht hatte, mich rumzukriegen, aber Alhamdulillah , ich hatte es zurückgewiesen. Nach dem, was die Leute so erzählen, war ich passiv high geworden, weil ich in verqualmten Räumen rumgesessen hatte, zusammen mit Jehangir, Fasiq Abasa und Rude Dawud, dem Sudanesen, der eines Tages beschlossen hatte, sein ganzes Leben einfach umzukrempeln, sodass die Mädchen dachten, er sei aus Jamaika – was ihm wahrscheinlich ganz recht war, weil die Karibik attraktiver klingt als der Sudan. Seit er den ganzen Tag mit den Rastafaris rumhing, hatte sich sogar sein Akzent verändert. Und ich war zusammen mit all diesen dubiosen Subjekten auf Jehangirs Partys gewesen und hatte zugelassen, dass sie in dem Haus stattfanden, das nicht nur sein, sondern genauso gut auch mein Zuhause war. Suff und Mädels , würde er sagen. Leute, die sich gegenseitig vollkotzten und Unzucht trieben. Mädchen, die keine Ahnung hatten, was Würde bedeutete. Männer, die keinerlei Selbstkontrolle besaßen. Jehangir Tabari, dessen Romantizismus nur einer spirituellen, kulturellen und ideologischen Trägheit entsprach: Einfach immer den Weg des geringsten Widerstands zu gehen. Wie es Allah gefällt, oder?
    Als Gläubiger war ich erledigt. Wie lange war es her, dass ich an einer richtigen Dschuma teilgenommen hatte? In einer Moschee, wo Männern und Frauen getrennt sind und ein richtiger Imam die Khutba hält? War ich zu einem Abtrünnigen geworden? Was genau bedeutete das eigentlich? Wir lebten in einem nicht-muslimischen Staat, wo ich mich nicht vor der Scharia fürchten musste, doch es gibt unterschiedliche Methoden, um jemandem den Kopf abzuschneiden. Was würden meine Eltern sagen, wenn sie wüssten, was in diesem Haus wirklich los war?
    »Das ist besser als das Studentenwohnheim«, hatte Abu gesagt. »Dort herrschen nämlich sehr schlechte Sitten.«
    »Du lebst mit anderen Muslimen zusammen«, sagte Ummi, »und wirst nicht abgelenkt.«
    Und da war ich nun, in meinem Wohnzimmer, und betete hinter einem Kafir, neben mir ein dämlicher Punkrocker, vor uns eine grüne Saudiflagge, deren Schahada durch ein aufgesprühtes Anarcho- A verunstaltet war. Und die Qibla bestand aus einem Loch in der Wand, das mit einem Baseballschläger geschlagen worden war.
    Ich war kein Abtrünniger, überlegte ich, weil ich noch immer gläubig war. La ilaha illa Allah, Muhammadu rasulullah . Na also. Ich war allerdings kurz davor gewesen, weil ich auf Jehangir Tabari gehört hatte, dessen Version des Islam bloß ein fauler Kompromiss war, der sich den Versuchungen des amerikanischen Lebensstils anpasste. Leider gefiel mir das, denn obwohl Abu und Ummi sich wirklich bemüht hatten, mich richtig zu erziehen, befanden wir uns noch immer im Reich der Ungläubigen und waren ständig davon umgeben, sogar zu Hause, wenn wir den Fernseher anmachten. Jeder von uns hatte auf seine Weise zugelassen, dass der Scheitan ein kleines bisschen in sein Leben eindringen konnte. Und ein bisschen wird mehr und immer mehr, bis es nicht mehr die eigene Entscheidung ist, wie viel davon man zulässt, sondern die des Scheitans selbst. Ich hatte das Gefühl, als würde in meinem Inneren ein Hochofen glühen.
    Dann bemerkte ich, dass ich auf meinen

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