Taqwacore

Englisch als Hauptfach, also betrachte ich es aus einem literarischen Blickwinkel. Wenn man nach W . K . Wimsatts Intentionalem Fehlschluss geht, okay, dann kann man im Allgemeinen die Botschaft eines Autors nicht beurteilen, weil der Autor – oder die Autor in  – selbst nicht weiß, was wirklich hinter dem eigenen Werk steht. Wir alle werden in unserem Verhalten von so vielen unterbewussten Elementen beeinflusst, dass ein Großteil von dem, was ein Künstler auf eine Seite, eine Leinwand oder was auch immer bringt, zufällig ist. Rushdies Kunstform, also die Fiktion, zu nehmen und dann zu sagen, dass darin eine Rechtfertigung für seine Ermordung liegt, zeigt eine völlige Ignoranz gegenüber dem Künstler.«
    »Wie schon gesagt«, entgegnete er mit höflichem Nachdruck, »du bist durch westlichen Säkularismus konditioniert. Wir diskutieren über ein religiöses Thema und du kommst mit Kuffar-Theorien! Findest du etwa in der Sunna etwas über Wimsatts Intentionalen Fehlschluss?« Dann entdeckte er mich. »Assalamu alaikum«, sagte er in demselben streitbaren Ton.
    »Wa aleikum assalam«, antwortete ich. Dann wandte ich mich an die Schwester. »Assalamu alaikum.«
    »Wa aleikum assalam.« Ich drehte mich abrupt um und ging in die Küche.
    »Wer sind die da drüben?«, fragte ich Rabeya, die mit ihrer Morgenzeitung am Tisch saß.
    »Bush wird uns alle umbringen«, sagte sie.
    »Ja, aber wer sind die beiden drüben im Wohnzimmer, die über Salman Rushdie reden?«
    »Ach, die sind von der MSA .«
    »Was machen sie hier?«
    »Sie warten auf Umar. Ich weiß nicht, worum es da geht.«
    »Aha.«
    »Streiten sie immer noch?«
    »Ja, darüber, ob Muslime Abtrünnige töten sollten oder nicht.«
    »Ah … vorhin haben sie darüber diskutiert, ob Frauen in muslimischen Ländern Staatsoberhäupter werden können.«
    »Echt?«
    »Ich musste kurz rübergehen, nur um ihn abzuwürgen.«
    »Das hätte ich auch nicht anders erwartet.«
    »Ich sagte sowas wie: ›Arschloch, Aisha hat Truppen im Kampf angeführt.‹ Er sagte, Allah hätte damit nur die Gläubigen prüfen wollen. Mit manchen Leute kann man einfach nicht diskutieren.«
    »Mist.«
    »Yusef, sie waren noch keine fünf Minuten hier, da hat er mich schon genervt. Er sah die Bierflaschen und so, und dann sagte er sowas wie: ›Die MSA sollte mehr tun, um muslimische Außenseiter wie die hier zu erreichen.‹ Muslimische Außenseiter? Was zum Teufel soll das heißen? Ich glaube, dem Mädchen war es fast peinlich, dass sie mit ihm hergekommen ist.«
    »Wundert mich nicht.«
    »Als ich noch jünger war, habe ich immer, wenn jemand den Status der Frau im Islam infrage gestellt hat, auf Benazir Bhutto verwiesen. Bitte: eine Frau, die ein muslimisches Land führt, während es in Amerika noch nicht mal eine weibliche Präsidentin gab. Dann haben die meisten Leuten Ruhe gegeben.«
    »Das ist cool.«
    »Ich war in vielerlei Hinsicht naiv.«
    »Es ist vielleicht eine dumme Frage«, lenkte ich ab, »aber ist es nicht schwierig, die Zeitung zu lesen, wenn man … äh, eine Burka anhat?«
    »Ein bisschen. Weißt du, was mich an dem Typ da draußen wirklich aufgeregt hat?«
    »Was denn?«
    »Er sagt so was wie: ›Frauen können keine Führungspositionen einnehmen, weil der Menstruationszyklus ihren emotionalen Zustand zu sehr beeinflusst.‹ Kannst du das glauben? So ein Scheiß, Yusef. Denkst du, die Stimmung eines Mannes wird nicht von seinen Hoden beeinflusst? Was ist mit einem Typ, der keinen geblasen kriegt, oder dessen Freundin ihn nur einmal im Monat ranlässt, oder einem, der eine hässliche Alte zu Hause hat und sich all die heißen jungen Dinger anglotzt und am liebsten tot wäre, oder einem, der so kaputt ist, dass er all seine Triebe unterdrückt und sich alles aufstaut, bis er am Ende so gemein wird wie Umar … oder die verdammten katholischen Priester, die sich so sehr damit abmühen, abstinent zu bleiben, dass das ganze Sperma sich in ihren Körpern verteilt wie Krebs und sie so vergiftet, dass sie kleine Jungs begrabschen? Dann gibt es noch die Typen, die eigentlich schwul sind, aber es sich selbst nicht eingestehen können, und der Gesellschaft schon gar nicht, und die werden dann zu den fiesesten Hasspredigern und Homophoben überhaupt, und sogar gewalttätig. Eminem ist eine Schwuchtel, darauf wette ich eine Million Dollar. Und was ist mit den Typen, die so abgedreht sind, dass sie Frauen zum Sex zwingen, weil sie sich dann mächtig fühlen? Denkst du, ein Mann