Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Taqwacore

Taqwacore

Titel: Taqwacore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Muhammad Knight
Vom Netzwerk:
sich mit Landstreichern an, lässt sich von Fernfahrern oder Tablighis mitnehmen, und sein ganzes Leben ist ein einziges großes soziologisches Experiment.«
    »Wow«, sagte ich.
    »Dieser Typ und seine krassen Fanzines sind einfach irre. In zehn Jahren wird der ganze Scheiß der Kanon für Taqwacore sein, wie die verdammte Muwatta oder so.«
    »Astaghfirullah«, sagte Harun.
    »Harun«, sagte Jehangir, »Erzähl ihm mal, warum du dir den halben Bart abrasiert hast.«
    »Okay«, sagte Harun. »Also, wenn muslimische Soldaten zur Zeit der Kreuzzüge gefangen genommen wurden, rasierten die Christen ihnen die halben Bärte ab und schickten sie zurück nach Hause. Das sollte Schande über sie bringen. Die Truppen mussten so zu ihren Frauen und Familien zurückkehren, als kastrierte, halbe Männer.«
    »Krass«, sagte ich.
    »Also habe ich mir den halben Bart abrasiert«, fuhr er fort, »um auf die aktuelle Lage unserer Umma hinzuweisen. Aus verschiedenen Gründen, die sich teilweise äußeren Umständen verdanken und teilweise unseren internen Querelen, haben wir Muslime an Macht und Respekt verloren.«
    »Bis zum Konzert schläft Harun auf Ayyubs altem Sofa«, erklärte Jehangir. »Dann schreibt er in seinem Fanzine darüber. Das wird in die Geschichte eingehen, Bruder.«
    Harun und Jehangir betranken sich an jenem Abend und unterhielten uns mit Geschichten von ihren jeweiligen Reisen und gemeinsamen Erlebnissen in Kalifornien.
    »Erinnerst du dich an Bloody?«, fragte Harun.
    »Na klar!«, rief Jehangir mit halbgeschlossenen Augen. »Bloody hängt da immer noch rum, habe ich gehört.«
    »Wie habt ihr ihn damals überhaupt aufgetan?«
    »Er war schon eine ganze Weile dabei.«
    »Ein totaler Irrer, der Typ«, sagte Harun. »Aber eins muss man ihm lassen: Er hat vor nichts Angst, er ist verrückter als eine Kanalratte. Bloody hat Sachen auf Konzerten gemacht – ach, nicht nur bei Konzerten; er zieht denselben Scheiß in einem Restaurant oder einem verdammten Kindergarten ab, da kennt er nichts, Mann, du glaubst es nicht.«
    »Er hat Allahs Geduld schon viele Male auf die Probe gestellt«, sagte Jehangir.
    »Aber ein Typ wie Bloody ist der Beweis dafür, dass der Islam sein kreatives Potenzial verloren hat.«
    »Was meinst du damit?«, fragte Rabeya.
    »Ich meine, dass sie nicht damit umgehen können, wenn jemand alles aufmischt. Wenn Bloody in eine ganz normale Moschee ginge«, antwortete Harun, »dann wäre es nur eine Frage der Zeit, bevor irgendjemand zu ihm sagen würde: ›Weißt du, Bruder, es ist gegen die Sunna, dass du dir einen schlechten Namen wie Bloody gibst, du solltest dir einen besseren Namen aussuchen wie … ja, Mohammed.‹ Und sie würden ihm die Jacke abnehmen, das ist klar. Und was mit seinen Haaren machen. Und ihm Strümpfe aus Leder geben. Aber scheiß drauf, Bloody würde ihnen allen eins über den Schädel geben, jedem Einzelnen von ihnen.«
    »Wie viele Bands werden denn jetzt hier übernachten?«, fragte Umar Jehangir.
    »Kann ich noch nicht genau sagen. Ziemlich viele wahrscheinlich.«
    »Wo sollen sie alle schlafen?«
    »Im Wohnzimmer, im Esszimmer. Im Flur. Unter dem Küchentisch.«
    »Sind da auch Mädchen dabei, bei den Taqwacores?«
    »Ja.«
    »Und es kommen auch Liwaticore-Bands?«
    »Ja, ein paar.«
    »Und die sollen hier alle zusammen schlafen? Jungs, Mädchen und Liwats?«
    »Klar. Siehst du, Bruder«, sagte Jehangir mit einer Hand auf Umars Schulter. »Ich war besorgt, dass Männer und Frauen hier zusammenkommen, deshalb habe ich die Liwats eingeladen. Sie werden die ganzen Männer umdrehen und zu Liwats machen, und die Frauen sind in Sicherheit, Inschallah.«
    Sarkasmus war das Einzige, womit man Umar noch kommen konnte.
    Eine Woche später trafen alle vier Bandmitglieder von One Trip Abroad in ihrem mit Aufklebern zugepflasterten Transporter bei uns ein. Jehangir rannte hinaus, flog die Verandatreppe herunter und umarmte sie wie alte Freunde. Er legte den Arm um einen Syrer mit hochgestellten Haaren, der, wie ich später erfuhr, der Leadsänger Dee Dee Ali war. Er trug einen marineblauen Caban über seinen Baggy Pants, die mit einem Union-Jack-Muster bedruckt war. Rote Hosenträger baumelten an seinen Hüften. In der Nase hatte er eine Sicherheitsnadel, wie der typische Punk aus einem Hollywoodfilm. Die drei anderen hinter ihm sahen genauso aus, der eine trug einen großen, sperrigen Gitarrenkoffer.
    Dee Dee Ali hatte kniehohe Lederstiefel mit gebogenen Spitzen wie ein

Weitere Kostenlose Bücher