Taran Bd 6 - Der Findling: Geschichten aus Tarans Welt
Löffel fallen und steckte die Finger in den Mund.
Sein Schrei ließ Orddu, Orwen und Orgoch zurück in die Hütte eilen.
»Oh, der arme Spatz!«, keuchte Orwen, als sie ihn an seinen schmerzenden Knöcheln lutschen sah. »Er hat sich verbrannt. Ich werde eine Salbe für das süße Vögelchen holen und ein paar Spinnweben darauf legen. Was hast du mit den ganzen Spinnen gemacht, Orgoch? Gestern waren sie noch hier.«
»Dafür ist es jetzt zu spät«, knurrte Orgoch. »Der Schaden ist angerichtet.«
»Ja, das fürchte ich auch«, seufzte Orddu. »Es gibt kein Wissen ohne Schmerz. Das liebe Gänschen hat seinen Schmerz gehabt; und jetzt, fürchte ich, hat es das Wissen, das damit einherging.«
Inzwischen hatte Dallben die Tropfen des Trankes, die seine Finger verbrannt hatten, hinuntergeschluckt. Er leckte sich die Lippen. Der Geschmack war bitter und süß zugleich. Und in dem Augenblick begann er vor Furcht und Erregung zu zittern. Alles, was in der Hütte alltäglich und vertraut gewesen war, sah er nun, als hätte er es nie zuvor gesehen.
Jetzt begriff er, dass die ledernen Blasebälge, die neben dem Herd lagen, den vier Winden geboten und der Wassereimer in der Ecke den Meeren und Ozeanen der Welt. Der Lehmboden der Hütte enthielt die Wurzeln aller Pflanzen und Bäume. Das Feuer zeigte ihm die Geheimnisse seiner Flamme und wie alle Dinge zu Asche wurden. Er blickte voll Staunen auf die Zauberinnen, denn solche waren sie.
»Die Fäden, die ihr spinnt und abmesst und in Stücke schneidet«, murmelte Dallben, »das sind keine Fäden, sondern Menschenleben. Ich weiß, wer ihr wirklich seid.«
»Oh, das bezweifle ich«, antwortete Orddu wohlgemut. »Selbst wir sind uns dessen manchmal nicht sicher. Aber wie dem auch sei, du hast von diesem Zaubertrank gekostet, und nun weißt du so viel wie wir. Fast so viel, jedenfalls.«
»Jedenfalls mehr, als ihm guttut«, grummelte Orgoch.
»Aber was sollen wir jetzttun?«, stöhnte Orwen. »Er war so ein süßer, unschuldiger kleiner Hahn. Wenn er doch nur nicht den Trank geschluckt hätte! Kann man ihn nicht dazu bringen, ihn wieder zu entschlucken?«
»Wir könnten es versuchen«, meinte Orgoch.
»Nein«, sagte Orddu bestimmt. »Was geschehen ist, ist geschehen. Das wisst ihr so gut wie ich. Ach, unser süßes Entlein wird uns jetzt verlassen müssen. Anders geht es nicht. So viele Leute mit so viel Wissen unter einem Dach? All das Wissen würde, eingezwängt und zusammengepfercht, stoßen und drängeln und sich Raum verschaffen wollen. Wir hätten keinen Platz zum Atmen mehr!«
»Ich finde, man sollte ihn hier halten«, knurrte Orgoch.
»Ich glaube nicht, dass ihm deine Art der Haltung gefallen würde«, antwortete Orddu. Sie wandte sich Dallben zu. »Nein, mein armes Küken, wir müssen Lebewohl sagen. Du hast uns einmal nach der Welt gefragt. Ich fürchte, du wirst sie selbst kennenlernen müssen.«
»Aber, Orddu«, wandte Orwen ein, »wir können ihn nicht einfach so ziehen lassen. Sicher haben wir irgendeine Kleinigkeit, die wir ihm mitgeben können. Ein Abschiedsgeschenk, damit er uns nicht vergisst.«
»Ich könnte ihm etwas geben, das ihn an uns erinnert«, begann Orgoch.
»Zweifellos«, sagte Orddu. »Aber das ist nicht das, was Orwen im Sinn hatte. Natürlich werden wir ihm ein Geschenk mitgeben. Besser noch, er soll sich selbst eins aussuchen.«
Während Dallben zusah, schlossen die Zauberinnen eine eisenbeschlagene Truhe auf und rumorten darin herum, bis ein großer Haufen von allem Möglichen daneben auf dem Boden lag.
»Hier ist etwas«, rief Orddu schließlich aus. »Genau das Richtige für ein tapferes junges Küken. Ein Schwert!«
Dallben hielt vor Staunen die Luft an, als Orddu die Waffe in seine Hände legte. Der mit Juwelen besetzte Griff glitzerte so hell, dass er geblendet die Augen zusammenkniff. Die Klinge blitzte, und ein Feuerfaden rann ihre Schneiden entlang.
»Nimm das, mein Entlein«, sagte Orddu, »und du wirst der Größte in Prydain sein. Stärke und Macht, liebes Gänschen! Wenn du befiehlst, müssen dir alle gehorchen und selbst deinem leisesten Wink folgen.«
»Das ist eine schöne Klinge«, antwortete Dallben, »und sie liegt gut in der Hand.«
»Sie soll dir gehören«, sagte Orddu. »Zumindest solange du sie führen kannst. Ach, ja«, fuhr die Zauberin fort, »ich sollte dazu sagen, dass sie bereits eine Anzahl Besitzer hatte. Irgendwie kommt sie früher oder später immer zu uns zu zurück. Die Schwierigkeit, weißt
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