Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers
hatte seine Waffe bereits wieder zurückgerissen, um sie gleich darauf zuerst von rechts, dann von links gegen den Oberkörper des anderen zu führen. In einer rasch aufeinanderfolgenden Serie von Attacken trieb Tarean seinen Gegner quer über den Burghof vor sich her, doch er fand in dessen Abwehr keine Blöße.
Schließlich duckte sich der andere Junge, Silas, ein drahtiger Bursche mit karottenrotem Haar, unter einem waagerecht geführten Hieb hindurch, wirbelte um die eigene Achse und holte Tarean mit gestrecktem Bein von den Füßen. Sofort war er über ihm, entwaffnete ihn mit einem kurzen Schwertstreich aus dem Handgelenk und hielt ihm dann die Klinge an die Kehle.
Tarean lag keuchend auf dem Rücken und funkelte seinen Bezwinger wütend an.
»Wer ist hier ein Hund, hm?«, höhnte Silas und verpasste Tareans Wange einen leichten Klaps mit der Breitseite seines Schwertes. »Du Versager!«
»Nimm die Klinge weg, oder du wirst es bereuen.«
»Tatsächlich?« Silas grinste breit und drückte die Spitze der Waffe leicht in Tareans Hals.
»Silas!« Der Name knallte wie ein Peitschenschlag über den Hof. »Es reicht.«
Die beiden Jungen wandten den Kopf und blickten zu dem stämmigen Mann in der dunkelbraunen Lederbrünne hinüber, der sich ihnen mit strenger Miene näherte. Sein Gesicht war bärtig und wettergegerbt, und mehrere Narben auf seinen nackten, muskulösen und unglaublich behaarten Armen zeugten davon, dass er bereits mit einigen Feinden die Klinge gekreuzt hatte.
Ilrod, der Waffenmeister von Burg Dornhall, baute sich breitbeinig vor ihnen auf, stemmte die Hände in die Hüften und runzelte die buschigen Augenbrauen. »Silas, pack die Waffe weg. Tarean, steh auf.«
Der rothaarige Junge gehorchte mit sichtlichem Widerstreben. Tarean rappelte sich auf und klopfte sich den Staub von dem schlichten weißen Wollhemd und den grauen Lederbeinkleidern, die er am Leib trug.
»Was glaubt ihr, was ihr hier treibt, ihr Burschen?«, verlangte der Waffenmeister zu wissen.
»Wir üben uns im Schwertkampf, Meister Ilrod, wie Ihr es uns befohlen habt«, erwiderte Silas mit einem gewissen Trotz in der Stimme.
»Für mich sah es eher so aus, als wolltet ihr euch gegenseitig umbringen. Silas, nimm dein Schwert, säubere es und geh hinein. Die Übungsstunde ist für heute beendet.«
Der Junge nickte und machte sich auf den Weg. Als Tarean ihm folgen wollte, hielt ihn der Waffenmeister jedoch zurück. »Du bleibst hier, Tarean.«
Tarean verzog das Gesicht, und er konnte gerade noch das schadenfrohe Grinsen in Silas’ Miene sehen, bevor ihn Ilrod mit sanfter Gewalt zu sich umdrehte. »Also?«, fragte der Waffenmeister. »Du hast mir doch sicherlich etwas zu erzählen.«
»Er hat verächtlich über meinen Vater gesprochen«, erwiderte der Junge, und damit war für ihn eigentlich alles gesagt.
Ilrod blickte ihn aus grauen Augen auffordernd an. Offenbar war damit noch nicht alles gesagt.
»Was möchtet Ihr hören, Meister? Ich habe ihn gewarnt, aber er wollte nicht aufhören. Ich bin wütend geworden. Und das Übrige habt Ihr gesehen.« Der Junge zuckte mit den Schultern.
»Schön.« Der Waffenmeister schien jetzt ganz ruhig zu sein. Tarean war sich nicht sicher, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war. »Aber dann verrate mir eines: Warum hast du verloren?«
Verwirrt kniff Tarean die Augen zusammen. »Was?«
»Warum hast du gegen Silas verloren?«
Unbehaglich trat der Junge von einem Fuß auf den anderen. »Er kämpft besser als ich?«
»Nein.« Ilrod schüttelte den Kopf. »Er kämpft gut, das wohl, aber wir beide wissen, dass du ihm überlegen bist. Du kämpfst besser als alle anderen Burschen, die ich ausbilde. Dein Geschick wurde dir in die Wiege gelegt, und dein Lerneifer ist bewundernswert. Du kannst Silas besiegen. Also: Warum hast du verloren?«
»Ich weiß es nicht«, gab Tarean zu.
»Denk nach, du Nichtsnutz!«, rief Ilrod und versetzte ihm einen Stoß, der ihn zwei Schritte zurücktaumeln ließ.
»Ich weiß es nicht«, schrie Tarean hitzig.
Das Gesicht des älteren Mannes verzog sich zu einem wissenden Lächeln. »Genau deshalb wirst du immer wieder scheitern.«
Der Junge blickte ihn nur verständnislos an.
»Weil du zu zornig bist«, eröffnete ihm Ilrod endlich. »Du musst lernen, deinen Zorn zu beherrschen. Denn wer zornig kämpft, verliert die Kontrolle über sich … und damit auch über seinen Gegner.«
Tarean schnaubte. Wenn das des ganzen Rätsels Lösung war … »Wer
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