Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
»Falls es ihn gibt.«
»Ist das wichtig?«, ergriff Haffta mit rauer Stimme das Wort. »Müssen wir wissen, wie es dazu kam? Sollten wir nicht lieber die Frage stellen: Was will Kesrondaia, dass wir tun?« Sie sah den Setten erwartungsvoll an.
Dieser nickte. »Genau das, worum sie euch bereits bei unserem letzten Treffen bat. Ihr müsst die verbliebenen Kristalldrachenritter suchen – und das so schnell es geht, denn wir werden jeden fähigen Kämpfer brauchen, um uns dem zu stellen, was vor uns liegt. Ganz besonders nannte sie mir diesen Namen: Questoi. Ihr müsst nach Questoi suchen.«
»Was ist das für ein Bursche?«, wollte Iegi wissen.
»Ein Chronist, wenn ich es richtig verstanden habe. Er kann kein Normalsterblicher wie du und ich sein, denn Kesrondaia sagte, er sei bereits seit ihrer Ankunft auf Endar in ihren Diensten. Er wandert durch die Welt, sucht ihre fernsten, geheimsten Orte auf und sammelt alles Wissen, das er entdecken kann.«
»Wo finden wir ihn?«
Janosthin zuckte mit den Schultern. »Das kann ich euch auch nicht sagen. Ich habe nie von einem Mann namens Questoi gehört.«
»Vielleicht weiß Lanfert über ihn Bescheid«, warf Auril ein. »Wir müssen ohnehin mit ihm in Verbindung treten, wenn wir unsere Suche beginnen wollen.«
»Also schön«, sagte Tarean mit einem Nicken. »Sprechen wir mit Lanfert. Hoffentlich kann er uns helfen.«
8
FAMILIENBANDE
»Es tut mir leid, meine Freunde, aber da bin ich überfragt.« Das faltige Gesicht Bruder Lanferts blickte sie aus der flachen Schale mit Wasser an, die sie auf den Tisch von Janosthins ehemaligem Heim gestellt hatten und die Tarean mithilfe dreier Tropfen des silbrigen Wassers des Sehens in ein Fenster ins ferne Agialon verwandelt hatte. »Ich kenne Questoi natürlich, denn er war ein berühmter Sonderling unter den Scholaren des Ordens. Aber wo er sich im Augenblick aufhält, vermag ich nicht zu sagen. Er besuchte die Ordensburg fünf Jahre vor der Schlacht um den Drakenskal das letzte Mal. Wohin es ihn danach verschlagen hat – wer weiß das schon …? Man sollte denken, dass er tot sei, denn er war damals schon sehr alt. Doch irgendwie glaube ich das nicht. Ihm schien die Zeit nie etwas anhaben zu können.«
Die Gefährten tauschten rasche Blicke aus. Offenbar war dem Mönch die besondere Natur des Chronisten nicht bekannt. Aber wer hätte es ihm in der Zeit der Abwesenheit der Kristalldrachen auch sagen sollen, außer Questoi selbst, und der schien seine außergewöhnliche Langlebigkeit für sich behalten zu haben. Es ist nicht an uns, das zu hinterfragen, ermahnte sich Tarean.
»Habt Ihr denn keinen Anhaltspunkt, Bruder Lanfert?«, hakte Auril unterdessen nach. »Nichts, das uns weiterhelfen könnte? Eine Beschreibung seiner Person vielleicht?«
»Nun, es war nichts wirklich Außergewöhnliches an ihm«, sagte Lanfert. »Questoi war ein normaler Mann, vom Alter gezeichnet, aber jung in seinen Bewegungen. Seine Augen – daran erinnere ich mich noch genau – waren stets von einem grauen Tuch bedeckt. Es ging die Geschichte um, er habe sein Augenlicht verloren, als er einen Blick auf die Seele eines Kristalldrachen geworfen hatte. Doch wie bei so vielem, das man sich über ihn erzählte, könnte ich nicht sagen, ob es nur eine Legende war oder der Wahrheit entsprach. In einem bin ich mir allerdings sicher: Questoi war nur dem Anschein nach ein Blinder unter den Sehenden. Tatsächlich war er der Sehende unter uns Blinden.«
»Gab es nicht irgendein besonderes Merkmal? Etwas, an das sich Menschen erinnern könnten, die wir nach ihm befragen?«
Der Mönch kratzte sich nachdenklich am Kinn. Dann hellte sich seine Miene auf. »Aber ja, natürlich. Dass mir das nicht gleich in den Sinn gekommen ist. Questoi reiste mit einem höchst seltsamen Haustier. Wohin er auch ging, wurde er stets von einem bunt gefiederten Drachen begleitet.«
»Einem Drachen?«, entfuhr es Tarean.
»Nun, keinem gewöhnlichen, wie man sie aus den Heldenliedern kennt oder wie sie euch in den Glutlanden begegnet sind«, schränkte Lanfert ein. »Es handelte sich vielmehr um einen kleinen, etwa so groß wie ein Hütehund. Er hatte einen rot gefärbten Kopf, einen schlangenartigen Körper, der von vier flinken Beinen getragen wurde, und um den Hals und entlang des Rückens wies er ein prachtvolles, buntes Gefieder auf. Ich muss sagen, dass ich ein Tier wie dieses noch nie gesehen habe. Ich wüsste nicht einmal, wo in Endar solche Drachen leben sollen.«
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