Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
beiden Männer in Agialon schweigen.
»Das ist eine Unverschämtheit! Macht endlich die Tür auf! Wisst Ihr denn nicht, wer ich bin?« Magister Dinriol schnaufte wütend und schlug einmal mehr gegen die schwere Holztür, die zwischen ihnen und der Freiheit lag.
»Vermutlich wissen sie genau, wer Ihr seid, Magister«, bemerkte Bruder Lanfert von dem Bettrand aus, auf dem er saß. »Und genau deswegen öffnen sie die Tür nicht, denn sie fürchten, Ihr würdet sie verzaubern.«
»Das würde ich auch!«, versprach der Gelehrte grimmig. Dann sackten seine Schultern herab, und er machte ein niedergeschlagenes Gesicht. »Wenn ich meine Tasche mit den Spruchutensilien hätte.«
»Das heißt, ich hoffe vergeblich darauf, dass Ihr uns hier rausholt?«, fragte der Mönch.
Dinriol presste die Lippen zusammen. »Zumindest wenn Ihr denkt, ich könnte die Alte Macht dazu einsetzen, ja.« Er schritt ruhelos durch den Raum und schlug zornig auf die Platte des Tisches, der in der Mitte ihrer geräumigen Unterkunft stand. Das Turmzimmer im Palast des Althans, in das man sie eingesperrt hatte, war nicht ohne Komfort. Es gab zwei Schlafstätten, einen Tisch, Stühle, sogar ein Regal mit einigen verstaubten Folianten. Aber es war und blieb ein Gefängnis, dessen Tür sich nicht öffnete, ganz gleich, wie sehr der Magister herumschrie.
»Wir hätten uns nicht in der Ruine erwischen lassen dürfen«, brummte Dinriol und setzte sich auf einen der Stühle.
»Nun, zumindest haben sie uns in den Quartieren des Hofmarschalls erwischt und nicht … Ihr wisst schon wo«, wandte Lanfert ein. »Das wäre mir sehr viel unangenehmer. So ist zumindest unser Geheimnis gewahrt.«
Dinriol legte die Fingerspitzen seiner Hände aneinander und starrte missmutig darüber hinweg. »Was glaubt Ihr, wie lange die Garde des Althans uns hier festhalten wird?«
Sein Gefährte zuckte ergeben mit den Schultern. »Ich nehme an, bis wir ihnen eine gute Erklärung für unser Treiben in der Burg des Kristalldrachenordens geliefert haben.«
»Und wann wird das der Fall sein?«
»Ich weiß es nicht. Ich werde ihnen nicht mehr Gründe für unseren Aufenthalt dort liefern, als ich bereits getan habe.«
Der Magister schnaubte. »Gelehrte der Akademie auf der Suche nach alten Schriften. Der Althan wird nur einen Brief an den Hochmagister schicken müssen, um zu erfahren, dass das gelogen war.«
Lanfert erhob sich langsam und trat mit hinter dem Rücken verschränkten Armen an das schmale Turmfenster, von dem aus man die Stadt überblicken konnte. »Nun, dann wollen wir doch hoffen, dass Beornhard uns vorher vermisst – und dass sein Ruf als Widerstandskämpfer gegen die Wolflingbesatzer immer noch so viel Gewicht innerhalb der Stadtmauern hat, dass er uns zu helfen vermag.«
»Ihr seid Euch bewusst, dass uns die Art und Weise, wie wir diesen Ort wieder verlassen werden, möglicherweise dazu zwingen wird unterzutauchen – sollte der Althan sich uneinsichtig zeigen und Beornhard zu dem Schluss kommen, dass unsere Aufgabe wichtiger ist als die Beachtung einiger Erlasse unserer Stadtoberen«, sagte Dinriol.
Der Mönch drehte sich zu ihm um. »Nun, mein Freund, wir sind ja bereits daran gewöhnt, im Verborgenen zu leben. Und in einer Stadt wie Agialon einer Handvoll menschlicher Soldaten aus dem Weg zu gehen, sollte uns leichtfallen nach all dem, was wir in den Wäldern von Thal durchleben mussten.«
»Trotzdem wäre mir lieber, all das wäre nicht geschehen.«
Bruder Lanfert schenkte dem Gelehrten ein schwaches Lächeln. »Oh, mir auch. Mir auch … Ich hoffe nur, dass Tarean eine Weile ohne unsere Hilfe auskommt.«
»Er ist ja nicht mehr lange allein«, sagte der Magister. »Bald ist die Ritterin bei ihm.«
Der Mönch nickte versonnen. »Genau deshalb bin ich in Sorge.«
Am frühen Nachmittag des zehnten Reisetages erreichten sie wie erwartet erneut die Zwölf Zinnen. Majestätisch erhoben sich die Gipfel der gewaltigen Bergkette in den blauen Himmel, und ihre schneebedeckten Spitzen glitzerten in der Sonne. Die Gefährten näherten sich dem Drakenskal über die Handelsstraße, die Städte wie Steilklipp und Hornwall auf dieser Seite der Zinnen mit Anfurt und Agialon auf der anderen Seite verband. Obwohl es ein milder Sommertag war, wie geschaffen, um zu reisen, befand sich außer ihnen kein fahrender Händler und keine Gruppe wandernder Glücksritter auf der gestampften Erdstraße, die sich in Serpentinen den mit Gras und Sträuchern bewachsenen Abhang zum
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