Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
haben, warum die Oberstadt schon wieder einen neuen Kran benötigt, während die Stadtwache noch immer die Panzerharnische ihrer Vorväter trägt!«
»Schwierigkeiten?«, fragte Janosthin mitfühlend.
»Keine, die ein kräftiger Schlag auf den Dickschädel mancher Ratsmitglieder nicht lösen könnte«, antwortete Bobradim.
Tarean und Iegi stiegen aus Höflichkeit von ihren Reittieren, und der grauhaarige Sette führte sie in eine Seitenstraße, die von dem Platz abzweigte. Nach etwa fünfzig Schritt öffnete er ein Hoftor in der lückenlosen Fassade aus dicht beieinanderstehenden Wohnhäusern und wies ihnen eine Stelle unterhalb eines Aufgangs, wo sie ihre Greifen anbinden konnten.
»Das ist nicht nötig«, klärte ihn Iegi auf und strich Ishilrin über den kräftigen Vogelschnabel. »Ihr wartet hier, habt ihr gehört?«
Das Vogelpferd krächzte und neigte bestätigend den Hals.
»Auch gut«, sagte Bobradim und erklomm ächzend die steile Stiege, die zu einem kurzen Balkon führte, der wiederum an einer gedrungenen Holztür endete. Dahinter lag eine kleine Stube, deren Decke so niedrig war, dass sich Tarean und Iegi bücken mussten, um nicht mit dem Kopf gegen die hölzernen Deckenbalken zu stoßen. Der alte Sette bot ihnen Sitzplätze auf einfachen, aber kunstvoll gefertigten Stühlen an. Anschließend stellte er ihnen Steinkrüge mit frisch gezapftem Bier hin. Zu guter Letzt ließ auch er sich an der Tafel nieder, nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Trinkgefäß und sagte: »Dann lasst mal hören, was euch zu mir treibt.«
Zunächst stellte Janosthin seine Begleiter vor. Danach ergriff Tarean das Wort und erzählte Bobradim in aller Kürze von ihren Abenteuern im Kampf gegen Calvas und auf der Suche nach den verschwundenen Kristalldrachen. Schließlich kam er auf ihre gegenwärtige Suche zu sprechen, nach den Rittern des Kristalldrachenordens im Allgemeinen und nach Halfbadur im Besonderen.
Als er geendet hatte, strich sich Bobradim nachdenklich über den Bart. »Hm, nun, das ist ja eine ganz außergewöhnliche Angelegenheit. In der Tat glaube ich sogar, dass ich euch helfen könnte. Aber …« Er verstummte, stand auf und humpelte zu dem kleinen, offen stehenden Fenster der Stube, das einen wundervollen Blick über die Dächer von Bergspitze und auf die nahen Berge bot. »Aber ich weiß nicht, ob ich euch damit einen Gefallen erweise.«
»Wie meint Ihr das?«, wollte Tarean wissen.
Der grauhaarige Sette holte tief Luft und drehte sich mit ernster Miene wieder zu ihnen um. »Es stimmt, dass vor etwa sechzehn Jahren ein Ritter des Kristalldrachenordens namens Halfbadur hier in Bergspitze eintraf. Er wurde von zwei menschlichen Gefährten begleitet, wobei die Frau so stark verwundet war, dass sie kurz darauf verstarb. Der Mann, ein einfacher Soldat, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, kehrte Bergspitze etwa ein Jahr später den Rücken. Halfbadur blieb. Doch der Verlust seiner Begleiter – oder aber irgendein anderes Übel, das ihm widerfahren war – machte ihm schwer zu schaffen. Er zog sich in eine Hütte außerhalb der Stadt zurück und lebt dort seitdem als Einsiedler.«
»Wo finden wir diese Hütte?«, fragte Iegi.
»Das weiß ich nicht. Aber ich kenne einen Ort, den er gelegentlich aufsucht. Eine Schänke, in die ich auch manchmal einkehre. Vielleicht kann euch der Wirt weiterhelfen. Oder ihr habt Glück und trefft gar auf Halfbadur selbst.« Bobradim hob mahnend eine Hand. »Seid jedoch gewarnt. Halfbadur ist nicht mehr der Mann, der er einst war.«
Die Schänke, die ihnen Janosthins Onkel gewiesen hatte, hieß »Glückes Schmied«, ein Name, dem nach Tareans Dafürhalten etwas leicht Zynisches anhaftete, angesichts der heruntergekommenen Gestalten, die dort im Halbdunkel vor übergroßen Bierhumpen kauerten. Die meisten von ihnen starrten mit trüben Augen blicklos ins Leere, andere murmelten unzufrieden vor sich hin, wieder andere klagten einander gegenseitig in kaum verständlichem Lallen ihr Leid. Der Einzige, der in diesem Raum voll gescheiterter und daher höchst durstiger Seelen sein Glück gefunden haben mochte, war der Besitzer des Gasthauses. Dieser gab sich allerdings redlich Mühe, mindestens ebenso unzufrieden dreinzuschauen wie seine Gäste, während er hinter dem Tresen Steinkrüge ausspülte und aus einem imposanten Fass in seinem Rücken neu befüllte.
»Hier müffelt es«, war Moosbeeres erste Feststellung, als sie zu viert den Schankraum betraten. Draußen dämmerte
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