Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
kreisförmig um den Berg führenden Straßen auf, bildeten wulstige Wohnblöcke, und mitunter schienen sie gar übereinander errichtet worden zu sein, so als gäbe es nicht genug Platz für all die Setten, die in Bergspitze leben wollten.
Genau wie Steilklipp schien auch die Hauptstadt in unablässiger Bewegung zu sein, allerdings wirkte das Bild, das dadurch entstand, allein aufgrund seiner Größenordnung noch weitaus spektakulärer. Windradartige Konstruktionen von bisweilen abenteuerlichen Ausmaßen drehten sich auf den mit schwarzen Schindeln gedeckten Dächern der trutzigen Gebäude. Durch Muskelkraft angetriebene Seilzüge und Kräne trugen Waren und sogar Passagiere von den unteren Teilen der Stadt in die oberen. Lastrutschen mit seilgesicherten Schlitten sorgten für den raschen Transport talwärts. Und überall dampfte, brodelte, hämmerte und rasselte es, so als säße dort ein riesiger, lebendiger Organismus, der nach langer Wanderung erschöpft schnaufend und schwitzend auf der Bergkuppe eine Rast eingelegt hatte.
»Ah, Heimat«, sagte Janosthin strahlend und sah dabei aus, als würde er am liebsten die Arme ausbreiten, um die ganze Stadt an seine breite Brust zu drücken. Aber er wagte es nicht, die Hände vom Nackengefieder Ialshis zu lösen, denn im Augenblick flogen sie beinahe hundert Schritt über der Talsohle, und dem erdverbundenen Setten behagte diese Höhe überhaupt nicht. Die letzten zwei Stunden hatte er tapfer schweigend, aber ziemlich verkrampft auf dem Rücken des Vogelpferdes gehockt. Nun vermochte ihm der Anblick Bergspitzes immerhin ein Lächeln aufs bärtige Antlitz zu zaubern.
Als sie näher ritten, wurde Tarean erst bewusst, welch gewaltige Aufgabe vor ihnen lag. Es würde schwer sein, in diesem Gewirr aus Gassen, Gängen, Terrassen und Hinterhöfen, diesem Durcheinander aus überbauten Häusern, Hütten und mehr oder weniger hohen Türmen einen einzelnen Mann zu finden, vor allem, wenn sich dieser vielleicht schon vor Jahren aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen hatte. Das sagte er auch Janosthin.
»Nun, mein Junge, es steht nicht so schlimm, wie es dir erscheinen mag«, gab der Sette zurück. »Ein Onkel von mir, der in der Mittelstadt unweit des Dritten Rings lebt, war früher im Wächterrat von Bergspitze. Es gab eigentlich kaum etwas, das innerhalb der Stadtgrenzen passierte, von dem er nichts wusste. Wenn sich Ritter Halfbadur und sein Gefolge nicht bei Nacht und Nebel eingeschlichen haben, sondern damals – wie es sich gehört – beim Wächterrat vorstellig wurden, dann hat er sie bestimmt kennengelernt. Und vielleicht weiß er auch, was aus ihnen geworden ist.«
»Das ist ein Anfang«, sagte Tarean mit einem erleichterten Lächeln.
»Was hat es mit diesem Wächterrat auf sich?«, erkundigte sich Iegi. »Herrscht er über Bergspitze?«
»Zum Teil, ja«, bestätigte Janosthin. »Wir haben drei Ratsrunden, die gemeinsam zum Wohle des settischen Volkes regieren. Es gibt den Gildenrat, den Gelehrtenrat und den Wächterrat. Im Gildenrat sind alle handwerklichen Stände versammelt. Er ist die machtvollste der drei Ratsrunden. Im Gelehrtenrat finden die Denker unseres Volkes zusammen. Wenn du willst, dass irgendeine Entscheidung verschleppt wird, wende dich mit deinem Anliegen an ihn.« Der Sette zwinkerte Iegi zu. »Und dann ist da noch der Wächterrat, der sich aus den Kriegerhäusern Bergspitzes, Goldentals und Steilklipps zusammensetzt. Er hat sicher die lauteste Stimme, aber sein Einfluss ist begrenzt, denn die Setten sind kein kriegerisches Volk.«
»Ausnahmen bestätigen die Regel, hm?« Tarean deutete mit einem Nicken auf den Runenhammer des Gefährten.
Dieser grinste. »Nun ja, meine Stärke lag schon immer darin, auf Dinge einzuschlagen. Und Grubenarbeiter wollte ich nicht werden.«
Sie ließen ihre Greifen im oberen Drittel der Stadt auf einem kleinen Platz landen, in dessen Mitte eine kompliziert aussehende Holzapparatur Wasser aus den Tiefen des Berges heraufbeförderte, und ritten dann unter den staunenden und zumeist unverhohlen neugierigen Blicken der Bevölkerung auf ihren Vogelpferden den Dritten Ring entlang. Der Dritte Ring war die mittlere der fünf breiten, ringförmigen Straßen, die Bergspitze in eine Oberstadt, eine obere und untere Mittelstadt sowie eine Unterstadt teilten und durch Treppen, Kräne und steile Verbindungswege miteinander verbunden waren.
Tarean fiel auf, dass sich fast ausschließlich Setten auf den Straßen bewegten. Ein
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