Tarzan 04 - Tarzans Sohn
Dschungel bieten konnte. Antilopen und Zebras fielen dem Speer des Jungen zum Opfer oder wurden durch die beiden machtvollen Raubtiere zu Boden gerissen, wenn sie sich aus überhängenden Zweigen auf sie herabfallen ließen oder ihnen im Unterholz neben dem zum Wasserloch oder zur Furt führenden Pfad auflauerten.
Ein Leopardenfell bedeckte die Blöße des Jungen, doch wenn er es trug, folgte er keinem Gebot des Anstands. Im Kugelhagel der weißen Männer war das wilde Tier in ihm erwacht, das in jedem von uns steckt, aber am meisten sich in diesem Jungen regte, dessen Vater von einem Raubtier aufgezogen worden war. Er trug das Fell in erster Linie als Beweisstück für seine Gewandtheit, denn er hatte den Leopard in einem Mann-gegen-Mann-Kampf mit dem Messer besiegt. Er hatte entdeckt, wie prächtig das Fell war. Es sprach sein barbarisches Empfinden für Schönheit an, und als es später hart wurde und zu zerfallen begann, weil er keine Ahnung vom Zurichten und Gerben hatte, warf er es bekümmert und bedauernd weg. Etwas später begegnete er zufällig einem einsamen schwarzen Krieger, der ein ebensolches Prachtstück trug, das sich jedoch weich an den Körper schmiegte und schön glänzte, weil es richtig bearbeitet worden war. So bedurfte es für den Jungen nur eines Augenblicks, um sich dem ahnungslosen Schwarzen von oben auf die Schultern fallen zu lassen, ihm eine scharfe Klinge ins Herz zu stoßen und sich das richtig behandelte Fell anzueignen.
Er hatte keine Gewissensbisse. Im Dschungel ist der im Recht, der die Macht hat. Auch braucht es nicht lange, dieses Gesetz dem Dschungelbewohner nahezubringen, ganz gleich, welche Erziehung hinter ihm liegen mag. Der Junge war sich wohl bewußt, daß der Schwarze ihn ebenfalls getötet hätte, wäre Gelegenheit dazu gewesen. Weder er noch der Eingeborene waren mehr gegen den Tod gefeit als der Löwe, der Büffel, das Zebra, das Reh oder irgendein anderes der zahllosen Geschöpfe, die im dunklen Labyrinth des Dschungels umherstreiften, krochen, flogen oder sich durch das Dickicht schlängelten. Jedes besaß nur ein Leben, nach dem viele andere trachteten. Je größer die Anzahl der getöteten Feinde, desto besser die Chancen, das eigene Leben zu verlängern. Deshalb legte der Junge lächelnd die prachtvolle Bekleidung des Besiegten an und zog weiter mit Akut seines Weges, immer auf der Suche nach den schwer zu fassenden Menschenaffen, die ihn mit offenen Armen empfangen sollten. Endlich fanden sie sie. Tief im Dschungel, den Blicken des Menschen verborgen, stießen sie auf eine kleine, von der Natur geschaffene Arena ähnlich jener, die Schauplatz jener wilden Zeremonie des Tamtam gewesen war, an der der Vater des Jungen vor vielen Jahren teilgenommen hatte.
Zunächst hörten sie aus großer Entfernung die dumpfe Trommel der großen Affen. Sie schliefen sicher in einem hohen Baum, als der dröhnende Rhythmus an ihre Ohren drang. Beide erwachten sofort. Akut konnte das seltsame Geräusch als erster erklären.
»Die großen Affen!« knurrte er. »Sie tanzen den Tanz des Tamtam. Komm, Korak, Sohn des Tarzan, laß uns zu unserem Volk gehen.«
Vor Monaten schon hatte Akut dem Jungen einen Namen seiner eigenen Wahl verliehen, da er mit dem von Menschen geschaffenen Jack nichts anzufangen wußte. Korak läßt sich einigermaßen durch einen Begriff der menschlichen Sprache erklären. Er bedeutet in der Affensprache soviel wie Killer. Nun erhob sich der Killer auf dem Zweig des großen Baumes, wo er, den Rücken an den Stamm gelehnt, geschlafen hatte. Er streckte die geschmeidigen, jungen Muskeln, und das Mondlicht drang durchs Blattwerk über ihm und sprenkelte seine braune Haut mit kleinen Lichtflecken.
Der Affe hatte sich auch aufgerichtet und stand halb gebückt nach Affenart. Seiner Brust entrangen sich leise Knurrlaute – Laute aufgeregter Erwartung. Der Junge tat es ihm nach. Dann glitt der Menschenaffe behend zu Boden. Ganz in ihrer Nähe, in der Richtung, aus der der Trommelschlag dröhnte, lag eine Lichtung, die sie überqueren mußten. Der Mond ergoß sein silbernes Licht darüber. Halb aufgerichtet schlürfte der große Affe in den hellen Lichtschein. Neben ihm schritt der Junge, und seine graziösen, schwingenden Bewegungen standen in deutlichem Kontrast zur linkischen Fortbewegung seines Begleiters. Das dunkle, zottige Fell des einen streifte die glatte, helle Haut des anderen. Der Junge summte jetzt einen Schlager vor sich hin, der einst auch in seine
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