Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
Ökosystemfunktionen einher. Der Versicherungseffekt (insurance effect) wurde beim Vergleich von Jahren mit unterschiedlichem Niederschlag dokumentiert. Während die Gesamtbiomasse (Summe der Biomassen aller Arten) in artenreichen Biozönosen beim Vergleich trockener und niederschlagsreicher Jahre konstant ist, sinkt die Gesamtbiomasse in Biozönosen mit reduzierter Artenzahl in trockenen Jahren. Nur bestimmte spezialisierte Arten können die Gesamtbiomassenproduktion in trockenen Jahren aufrechterhalten. Ein Verlust dieser Arten in artenarmen Biozönosen führt zu einer Sensitivität der Biozönose gegenüber Schwankungen in Umweltfaktoren . In redundanten Biozönosen führt der Verlust an Arten bei konstanten Umweltbedingungen nicht zu einem Verlust an Ökosystemfunktion, aber bei schwankenden Umweltbedingungen zu einem Verlust der Verlässlichkeit der Ökosystemfunktion (Abb. 4. 15b ). Auch die Gesamtproduktivität sinkt mit einer Reduktion der Pflanzenarten. Dies wird funktionell entweder durch eine Komplementarität der Nischen (complementarity hypothesis) oder durch positive Effekte der Arten untereinander (facilitation hypothesis) erklärt. Eine alternative Erklärung der experimentellen Ergebnisse besagt, dass die Produktivität (oder andere Ökosystemfunktionen) maßgeblich von einzelnen Arten geprägt werden (z. B. stickstofffixierende Leguminosen in Pflanzengemeinschaften), deren Auftreten in artenreichen Experimentalflächen wahrscheinlicher ist (sampling effect). Diese Hypothese besagt, dass der Verlust an Ökosystemfunktion an einzelne Arten gebunden ist und nicht von der Artenzahl der Biozönose abhängt. Generell sind Sammeleffekte häufig anzutreffen, in den meisten Experimenten konnte aber ein zusätzlicher Diversitätseffekt nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse zeigen eine gemeinsame Bedeutung einzelner Arten und der Biodiversität bei der Steuerung von Ökosystemfunktionen an.
Abb. 4. 15 Diversität und Ökosystemfunktion. a Verschiedene Zusammenhänge zwischen Biodiversität und Ökosystemfunktion; b Zusammenhang zwischen Artenzahl und Verlässlichkeit der Ökosystemfunktion. „Komplementär“ repräsentiert den Bereich, in dem zusätzliche Arten eine Zunahme der Funktion bewirken, die Arten sich also in ihrer Wirkung gegenseitig ergänzen. „Redundanz“ repräsentiert den Bereich, in dem zusätzliche Arten keinen weiteren Beitrag mehr zur Funktion des Systems liefern. KMAZ (kritische minimale Artenzahl) markiert den Punkt, ab dem zusätzliche Arten keine Auswirkungen mehr auf Ökosystemfunktionen haben. Ab diesem Punkt nimmt die Verlässlichkeit des Systems oder die biologische Absicherung zu. Die Schlüsselart-Kurve repräsentiert die drastische Veränderung von Ökosystemfunktionen bei Verlust von einzelnen Arten (Schlüsselarten). Die Differenz zwischen der durchgezogenen und der unterbrochenen Kurve spiegelt die Bedeutung der Zusammensetzung der Gemeinschaft für Ökosystemfunktionen wider. (b: nach Naeem, 1998.)
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Diversität: Vielfaltigkeit der Artenzusammensetzung einer Biozönose in lokalen Biotopen (α-Diversität), in Landschaften (γ-Diversität) und beim Vergleich der Unterschiedlichkeit von Biozönosen (β-Diversität).
Diversitätsindizes: Meist eine Kombination von Artenzahlen und Gleichverteilung (Evenness) der Individuen auf die Arten.
Abundanzverteilungen: Mathematische Beschreibung der Verteilung der Individuenzahlen auf die Arten: Broken-Stick (sehr gleichmäßig), geometrische (sehr ungleichmäßig) und lognormale Verteilungen (mittlere Gleichmäßigkeit) werden oft verwendet.
Globale Artendiversität: Für die meisten Artengruppen am Äquator am höchsten und fällt in Richtung der Pole.
Arten-Flächengrößen-Beziehungen: Artenzahlen steigen mit der Flächengröße des Biotops; der Anstieg ist unterschiedlich für Inseln, Ausschnitte von Kontinenten und Interkontinentalvergleiche.
Inselökologie: Die Artenanzahl auf Inseln und Biotopinseln hängt von der Flächengröße der Insel und ihrer Isolation vom Festland ab; ein Gleichgewicht von Immigration und Aussterben bedingt die Artenzahlen.
Lokale Artendiversität: Konkurrenzentlastung führt zu höheren Artenzahlen; Entlastung kann durch äußere Störungen, intrinsische, chaotische Populationsoszillationen und Keystone-Prädation erzeugt werden.
Ökosystemfunktion: Biodiversität ist meist mit Ökosystemfunktion korreliert; positive Effekte entstehen durch Komplementarität der Funktionen der Arten und
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