Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
lokalen Aussterbeereignissen. Allerdings profitieren vom Biotopverbund vor allem euryöke Arten, wohingegen seltene, stenöke Arten in ehemals isolierten Biotopen sogar durch immigrierende Konkurrenten beeinträchtigt werden können. Vor allem große Arten mit beträchtlichem Raumanspruch können durch vernetzte kleine Schutzgebiete nicht gefördert werden. Planungen von Schutzgebieten erfordern deshalb konkrete Zielsetzungen im Bezug auf die zu schützenden Arten.
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Im Gegensatz zu den makroökologischen Analysen von globalen Artenzahlen und der Inseltheorie werden lokale Artenzahlen in kleinflächigeren Untersuchungsräumen vor allem durch Interaktionen wie Konkurrenz um Ressourcen limitiert. Konkurrenzausschluss ( Siehe hier ) führt zu niedrigeren lokalen Artenzahlen. David Tilmans klassische Arbeiten demonstrierten, dass in einer Biozönose im Gleichgewichtszustand mit n Ressourcen nicht mehr als n Arten koexistieren können. Im Gegensatz dazu koexistieren in natürlichen Biozönosen oft viele hundert Arten auf der Basis weniger essentieller Ressourcen: Dieser Gegensatz zwischen Theorie und Natur wurde insbesondere für aquatisches Phytoplankton ( paradox of the plankton ) und die Bodenfauna ( enigma of soil animal species diversity ) thematisiert. Die Koexistenz von Arten kann durch Konkurrenzentlastung ( Siehe hier ) erklärt werden. Mehrere Prozesse können überKonkurrenzentlastung zu höheren lokalen Artenzahlen führen: extrinsische und intrinsische räumliche Variation, extrinsische und intrinsische zeitliche Variation und Keystone-Prädation.
Extrinsische räumliche Variation im Ökosystem erzeugt Heterogenität , die zu unterschiedlichen Mischungen der essentiellen Ressourcen an verschiedenen Orten im Biotop führt. Durch diese extrinsisch (nicht durch die Biozönose) bedingten unterschiedlichen Mischungen wird das Konkurrenzgleichgewicht zwischen den Arten verschoben, sodass an den verschiedenen Orten unterschiedliche Arten koexistieren. Während an den einzelnen Orten das Prinzip von n Arten auf n Ressourcen erhalten bleibt, koexistieren aufgrund der Heterogenität im gesamten Biotop mehr Arten auf größeren Flächen.
Intrinsische räumliche Variation beschreibt die unterschiedliche Artenzusammensetzung der Biozönose zu verschiedenen Stadien der Sukzession ( Siehe hier ). Bei den Arten existiert oft ein Ausgleich zwischen Kolonisierungsfähigkeit und Konkurrenzstärke (competition-colonisation trade-off). Im Sukzessionsmosaik werden offene Flächen im Initialstadium durch Pionierarten mit hoher Kolonisierungsfähigkeit besiedelt, wohingegen sich in den Folgestadien konkurrenzstärkere Arten durchsetzen. Bei n Ressourcen führt diese Sukzessionsdynamik zur Koexistenz von mehr als n Arten, sodass das Konkurrenzgleichgewicht nur in der Reifephase der Sukzession besteht.
Extrinsische zeitliche Variation wird durch zeitlich gepulste Störungen erzeugt. Vor allem jahreszeitlich gepulste Störungen durch Winterfrost können Konkurrenzgleichgewichte mit Konkurrenzausschluss verhindern. Für marine Phytoplankton Biozönosen konnte gezeigt werden, dass während der produktiven Jahreszeit sich die Biomassendichten in Richtung eines Konkurrenzgleichgewichts bewegen. Der Winterfrost übte eine nicht-dichteabhängige Störung aus, die alle Arten wieder auf ähnliche Biomassendichten reduzierte. Durch diese und andere extrinsisch (nicht durch die Biozönose) zeitlich gepulste Störungen kann die Koexistenz von Arten ermöglicht werden, die sich ohne Störung per Konkurrenzausschluss reduzieren würden.
Die Intermediate Disturbance Hypothesis und die erweiterte Dynamic Equilibrium Theory beschreiben die besondere Bedeutung von extrinsischen Störungen und der Produktivität für die Artenzahlen (Abb. 4. 14 ). Bei häufigen Störungen existieren nur Spezialisten, die in der Lage sind, diese Störungen zu tolerieren. Bei seltenen Störungen kommt es im System zum Konkurrenzgleichgewicht, und es existieren ebenfalls nur wenige Arten. Bei mittlerer Störungsfrequenz koexistieren die meisten Arten, sodass ein buckelförmiger Zusammenhang zwischen Artenzahlen und Störungsfrequenz besteht. Ebenfalls ein buckelförmiger Zusammenhang besteht zwischen den Artenzahlen und der Produktivität des Ökosystems. Bei niedriger Produktivität existieren nur Spezialisten, und bei hoher Produktivität schließen die konkurrenzstärksten Arten andere aus, wohingegen bei mittlerer Produktivität am meisten Arten koexistieren.
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