Taschenlehrbuch Biologie - Evolution - Oekologie
von Populationen: Wachstum, Interaktionen und Dynamik
Johannes L. M. Steidle, Ulrich Brose, Stefan Scheu, Inge Kronberg
3.1 Populationen und ihre Struktur
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Eine Population ist eine Gruppe von Individuen derselben Art, die in einem bestimmten Areal, dem Populationsareal , verteilt sind und unter denen ein genetischer Austausch stattfinden kann. Unterschiede zwischen Populationen der gleichen Art oder verschiedener Arten können in der Anzahl der Individuen ( Populationsdichte , Populationsgröße ), der Größen- und Geschlechterverteilung der Individuen, der Altersstruktur und der charakteristischen Weise bestehen, in der die Individuen im Populationsareal räumlich verteilt sind ( Dispersion ). Die Gesamtheit dieser Eigenschaften einer Population wird als Populationsstruktur bezeichnet. Bei Tieren wird häufig die Abundanz oder Populationsdichte zur Bestimmung der Populationsgröße verwendet, bei Pflanzen, bei denen das Zählen von Individuen oft unmöglich ist, werden Artmächtigkeit oder Frequenz herangezogen. Die Altersstruktur einer Population lässt sich in Form von Lebenstafeln oder in Bevölkerungspyramiden erfassen.
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3.1.1 Populationsdichte
Unter einer Population versteht man eine Gruppe von Individuen derselben Art. Sie lebt in einem bestimmten Areal, dem Populationsareal , welches von den Arealen anderer Populationen derselben Art mehr oder weniger stark isoliert ist. Ein genetischer Austausch findet daher überwiegend zwischen den Individuen derselben Population statt. Als Dichte oder Abundanz einer Population bezeichnet man die Anzahl der Individuen pro Raumeinheit . Je nach Art kann die Raumeinheit dabei in der Fläche eines Areals (bei Insekten auf einer Wiese oder Rotwild in einem Waldgebiet), einem bestimmten Wasservolumen (bei Planktonorganismen) oder einem bestimmten Bodenvolumen (bei bodenbewohnenden Arthropoden) bestehen.
Eine Schwierigkeit bei der Untersuchung der Populationsgröße und Populationsstruktur kann darin bestehen, die Einzelindividuen einer Population zu erkennen. Grundsätzlich lassen sich nämlich zwei verschiedene Typen von Organismen unterscheiden ( Siehe hier ). Bei unitaren Organismen , zu denen die meisten Tierarten gehören, ist das Aussehen mehr oder weniger vorherbestimmt. Wenn diese Organismen nicht zu klein sind, wie bei Mikroorganismen und kleinen Parasiten, so lässt sich bei ihnen die Populationsgröße über die Anzahl der Einzelindividuen bestimmen. Anders ist es bei modularenOrganismen , wie Pflanzen, Korallen oder Moostierchen. Diese Organismen sind aus Modulen wie Ästen, Zweigen oder Blättern aufgebaut und wachsen durch Nachbildung dieser Module. Ihr endgültiges Aussehen ist daher nicht vorherbestimmt, sondern hängt von den Wachstumsbedingungen ab. Dadurch wird das Zählen einzelner Individuen schwierig und die Abundanz kann nicht einfach erfasst werden. Besonders schwierig ist es festzustellen, wie viele der oberirdisch sichtbaren Einzelpflanzen über ihr Rhizom verbunden sind und damit im Grunde ein einziges Individuum (Genet) darstellen. Solche Aussagen sind nur durch Verwendung molekularer Methoden möglich.
Während die Populationsgröße bei Tieren meist als absolute oder relative Abundanz angegeben wird, ist bei Pflanzen als modularen Organismen das Zählen einzelner Individuen häufig nicht möglich. Daher werden in der Vegetationskunde oft die Parameter Stetigkeit ( Präsenz ), Artmächtigkeit und Frequenz erhoben. Die Stetigkeit gibt an, wie regelmäßig eine bestimmte Art in einem bestimmten Biotoptyp bzw. einer bestimmten Pflanzengesellschaft anzutreffen ist. Nach Stärke der Bindung lassen sich Arten unterscheiden, die nahezu ausschließlich in einer bestimmten Gesellschaft vorkommen, Arten, die gelegentlich auch in anderen Gesellschaften angetroffen werden können und Arten, die man in vielen Gesellschaften finden kann, die sich aber nur in einer optimal entwickeln können. Während die Stetigkeit also Schlussfolgerungen darüber zulässt, welche Arten für welche Pflanzengesellschaften charakteristisch sind, geben Artmächtigkeit und Frequenz die Häufigkeit an, mit der Arten an jedem einzelnen Standort vorkommen. Diese Parameter sind daher zur Beschreibung einzelner Standorte geeignet.
Die Biomasse beschreibt die zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhandene Masse lebender Substanz, also die von einer Population gebildeten organischen Stoffe pro Flächen- oder Raumeinheit. Handelt es sich um Populationen von nutzbaren Organismen, so
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