Tastenfieber und Liebeslust
glücklich, denn eine sanfte Musikerin in meinem Leben zu haben, wäre für mich ein Traum.
Ich selber habe nach vier Semestern Musikgeschichte zwar auf allgemeine Geschichte gewechselt, bin aber der Musik – zumindest hörend – immer noch mit großer Begeisterung verbunden.
Vor meiner Scheidung (2001) pflegten wir in der Familie kleine Hausmusikabende, die auch unsere Freunde und Nachbarn genossen (das sagten sie jedenfalls). Meine Tochter spielt Klavier, meine Exfrau Geige, ich quälte das Cello und mein Sohn ist fast mit der Klarinette verheiratet.
Ich bin italophil – vielleicht sogar italoman. Mein Häuschen in der Toscana ging leider im Rahmen der Scheidung an meine Exfrau über, sodass mir dieses wunderschöne Domizil in dem noch schöneren Land nicht mehr zur Verfügung steht.
Ob ich Ihre – nicht gerade bescheidenen – Anforderungen: belesen, gebildet, feurig, zärtlich etc. erfülle oder erfüllen kann, weiß ich nicht.
Ganz fremd sind mir allerdings diese Eigenschaften nicht. Zumindest habe ich in meinem bisherigen Leben gelernt, dass ich nur feurig und zärtlich sein kann, wenn mich die Partnerin dazu inspiriert. Ich hoffe, meine Antwort auf Ihre Anzeige hat sie neugierig gemacht. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich in den nächsten Tagen eine kleine Mail d’amour in meiner box vorfinden würde.
Liebe Grüße
Ihr Ingo
PS: 58 Jahre, 174, 66.
Ich besitze immer noch kein Telefon! Es ist unerträglich, in einer Metropole muss man länger als vier Wochen auf den Anschluss warten! Ein Glück, dass es IN-Cafés gibt.
pockroy @ web.de
31. Juli – 13:36 Uhr
Liebe Marion,
Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt, Baron Isolani! Aber herzlichen Glückwunsch zu Ihrem pfiffigen Enkel! Der oder die liest schon in der Rubrik Kontaktanzeigen? Pfui, da gibt es doch so viele Seitensprungangebote und ähnlich Anstößiges zu lesen. Sie sollten die Mutter dieses frühreifen Kindes doch etwas auf die elterlichen Erziehungs- und Sorgepflichten hinweisen.
Ich habe mit meiner Anzeige die Büchse der Pandora aufgemacht. Opas scheinen doch nicht uninteressant zu sein. Sie sind nun die 26., die mir sehr nett schrieb. Die 27. hat sich auch schon gemeldet.
Ich will mich aber nicht an Gorbatschows Weisheit von ›Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben‹ halten, denn ich halte mich für einen Philanthrop, na, die Hälfte nicht so sehr, deshalb genauer: Ich bin gynophil. Da ich in meinem jugendlichen Leichtsinn vollmundig in meiner Anzeige versprach, jede Zuschrift zu beantworten, ging die letzte Woche mit Mailen an liebenswerte Damen drauf.
Am Dienstag letzter Woche (Stand: 21 Zuschriften) versandte ich folgendes Rundschreiben, um den Damen die Möglichkeit eines eleganten Rückzugs zu bieten:
1. Rundschreiben (siehe Seite 299)
Nunmehr zogen sich etliche Damen zurück, vor allem wohl diejenigen, die sich wegen der 2 x HSA (Medizin und Architektur) eine Verbesserung der Vermögensverhältnisse erhofften. Andere, weil wohl Witz und Esprit als Voraussetzungen für Erotik nicht deren Naturell entsprach. Diejenigen, die trotz meiner skurrilen Lebensvorstellungen nicht aufgaben, wollten mich sehen, zumindest aber mit mir telefonieren – immerhin noch elf. Da mir dies zu früh erschien, versandte ich einen weiteren Rundbrief, den ich Ihnen übersende, sofern Sie von dem ersten nicht erschreckt waren.
Liebe Grüße
Maximilian
2regenbogen@ web.de
31. Juli – 17:39 Uhr
Lieber Maximilian,
zuerst meinen herzlichen Gruß!
Ich habe mich gefreut, dass Sie mir so schnell geantwortet haben. Dies besonders im Hinblick darauf, dass Sie ja von reger Korrespondenz so stark in Anspruch genommen sind! Unabhängig davon habe ich aber auch den Eindruck, dass Sie sich gerne schriftlich äußern. Was aber schreiben Sie denn da? Gynophil sind Sie! Also homo- oder transsexuell. Ist dem so? Oder haben Sie sich vertippt?
Auch Sie ein Wagnerfreund! Das beglückt mich geradezu, denn i c h teile mit seiner Musik schon viele Jahre meine Tageszeit. Besonders mit Tristan kann ich stundenlang am Klavier sitzen (ich spiele recht und schlecht, aber mit Begeisterung).
Die Beschreibung und Ihre Haltung zu Ihrem finanziellen ›auf die Nase fallen‹ hat mich beeindruckt. Die meisten Menschen streben heute nach Statussymbolen, ständig ist Geld Gegenstand letztlich langweilender Gespräche, und meist ist das Interesse für Themen aus geistigen Bereichen längst abgestorben, sollte es in der Jugend einmal
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