Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tastenfieber und Liebeslust

Titel: Tastenfieber und Liebeslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Mascha Blankenburg
Vom Netzwerk:
schlafen.
    Eva
     
     
    12. April –14:38 Uhr
    Evachen, mein Liebes,
    ruf mich doch an! Mit dem Fahrrad bin ich in fünf Minuten da und kann mit Claudio Gassi gehen, oder er geht mit mir!
    Was sind das für Schmerzen? Soll ich mal kommen?
    Starke Schmerzen im Bein darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen! Was ist mit Dir, mein Evachen? Brauchst Du mich? Dann ruf mich bitte an! Ich versuche seit Stunden, Dich auch per Telefon zu erreichen! Bist Du nicht zu Hause? Oder in einen Tiefschlaf verfallen?
    Nachher, gegen 16 Uhr, muss ich für zwei Stunden weg. Ich hoffe sehr, noch vorher eine beruhigende Nachricht von Dir zu erhalten.
    Sorgenvoll Dein Barone
     
     
    12. April – 16:41 Uhr
    Ja, ich habe tief geschlafen. Die Schmerzen sind seit gestern ziemlich heftig, werden sicher aber auch wieder vorbeigehen. Das hoffe ich jedenfalls stark. Wenn Du morgen von Deiner Arbeit weg kannst, und wenn es mein Bein erlaubt, können wir am Nachmittag im Schlosspark herumspazieren.
    Deine lahme Ente
     
     
    12. April – 19:19 Uhr
    Sei bitte so lieb und hole mir meine Hormontabletten in der Apotheke.
    Mein Liebster, ich fühle mich wie eine Oma, und damit bin ich natürlich nicht glücklich. Glücklich bin ich aber darüber, dass Du nicht böse auf mich, sondern ein fröhliches Kerlchen mit unbeirrbarem Optimismus bist!
    Habe schön mit dem Professore musiziert. Meiner Seele ging es direkt besser. So schönes Wetter! Und ich muss humpeln!
    Ich lege mich in Deine Arme.
    Deine Eva
     
     
    12. April – 20:41 Uhr
    Mein liebes Evachen,
    wenn Du Dich in Zukunft anständig bewegen solltest (nicht nur im Bett) und täglich einen Liter fettarme Milch trinkst, wird es keine Osteoporose geben, weil die Knochen ausreichend belastet werden, und Du hast genug Calcium zu Dir genommen, um den Knochenabbau zu stoppen. Mit fünf Kilogramm Gewichtsreduktion brauchen die Schenkelhälse nicht mehr so viel zu tragen und auch Deine Bandscheiben würden das mit größter Freude zur Kenntnis nehmen.
    Du siehst, schon Schiller hatte recht: ›Ein Arzt im Haus erspart den Medikamentenschrank!‹ Jetzt mache ich Pause und werde mir Deine Beethoven-CD anhören.
    Dein herzallerliebster Dottore
     
     
    12. April – 21:19 Uhr
    Mein herzallerliebster, caro dottore grande,
    Gerade habe ich das Gedicht von Pasternak gefunden, das ich Dir schon öfter aufgesagt habe. Jetzt hast Du es endlich schriftlich:
     
     
     
    Berühmt zu sein ist nicht das Wahre.
    Das ist es nicht, was uns erhebt.
    Es lohnt nicht, dass man bange Jahre
    An alten Manuskripten klebt.
     
    Des Schaffens Ziel ist Selbsthingabe,
    Und nicht Erfolg und lautes Schrei’n.
    Und Schmach ist’s, ohne Wert zu haben,
    Ein Spruch in aller Mund zu sein.
     
    Nein – leben, nicht vom Stolz getrieben,
    So leben, dass zu guter letzt
    Man auf sich zieht des Raumes Liebe,
    Der Zukunft Ruf vernimmt im Jetzt.
    Und stehen lassen, was vergebens,
    im Schicksal, aber nicht im Werk;
    Ganze Kapitel seines Lebens
    Abtun mit einem Randvermerk;
     
    In Unbekanntheit untertauchen
    Und drin verbergen seinen Schritt,
    Wie sich verbirgt in Nebelhauchen
    Die Landschaft bis man nichts mehr sieht.
     
    Dein Weg wird auf lebendigen Fährten
    Einst Anderen Stuf’ um Stufe klar,
    Doch selber darfst du nie bewerten,
    was Sieg, was Niederlage war.
    Und keinen Deut von dem aufgeben,
    Was der Person gehören muss –
     
    Lebendig bleiben, nichts als leben,
    Nichts als lebendig, bis zum Schluss.
    (aus: Wenn es aufklart – Gedichte 1956-1959)
     
     
    12. April – 22:18 Uhr
    Liebste Eva,
    Beethovens III. Klavierkonzert ist ein Traum. Ich bin Dir unendlich dankbar, dass Du mich in eine andere Welt, die mir bisher noch weitgehend verschlossen ist, mitnehmen willst. Ich schmelze dahin, wenn ich den zweiten Satz höre. Das hat für mich eine fast überirdische Schönheit und Klarheit. Und Du am Flügel! Wunderbar.
    Zurück zu den Niederungen des menschlichen Stoffwechsels. Ich besorge Dir eine Monatspackung. Ich denke aber nach wie vor, dass Du keine mehr nehmen solltest.
    Vergiss auch eines nicht: Die Harmonie der Seele ist wichtiger als ein paar Moleküle, die Du Dir vor oder nach dem Frühstück reinfutterst. Wenn du in Dir ruhst und glücklich bist, dann brauchst Du keine Medikamente als Dauertherapie – eventuell nur in der Akuttherapie. Für die Ruhe bist Du selbst zuständig, fürs Glück werde ich die Zuständigkeit übernehmen. D’accord? Ich wäre jetzt so gern bei Dir und wüsste dabei so genau, wie ich Dir die

Weitere Kostenlose Bücher