Tastenfieber und Liebeslust
Uhr
Evachen,
ich bin ganz verzweifelt! Was willst Du mir mit diesen Sätzen sagen? Ich verstehe nicht, worüber wir nun reden!
›Ich habe mein Leben ohne gesellschaftlichen Hintergrund und Familienbackground geführt.‹
Diese Aussage lese ich aus deinen Worten heraus. Du hast mir aber mehrfach mit Liebe und Dankbarkeit erzählt, wie Deine Mutter Dich im Klavierspiel gefördert, Dein Vater Dir den Zugang zur Poesie vermittelt hat. Und das nennst Du keinen Familienbackground? Kannst Du Dir etwa vorstellen, dass mein konservativer Vater einem ewigen Studenten, der dauernd Kinder kriegt, beim zweiten Studium noch Geld zukommen ließ? Habe ich mich der Idee ›Familie‹ nicht auch hingegeben? War mir denn als Student diese Idee nicht wichtiger als alles materielle Äußere?
Kannst Du Dir denn nicht vorstellen, dass ich einen – bürgerlich betrachtet – wesentlich erfolgreicheren Weg gegangen wäre, wenn ich auf Kinder und Familie verzichtet hätte? Die Zeit, die ich in Windelwickeln etc. investiert habe, hätte locker für eine Habilitation gereicht!
Also, ich habe mich genauso wie Du einer Idee hingegeben, diese umgesetzt und durchgezogen. Lass uns diese Lebensleistungen wechselseitig achten und nicht Rosinen picken. Evachen, Du bist eine und meine Traumfrau! Lass uns das heute genießen und uns auf die gemeinsame Zukunft freuen! Ich tu’s! Ich werde immer mehr
Dein Diener
11. April – 23:58 Uhr
Rosinen picken.
Amore, das ist es doch nicht. Es sind doch Weintrauben, in Form ihrer Verwandlung. Wollen wir denn den Prozess unserer Annäherung nicht auch mit kritischem Blick tun? Wie lernt man sich eigentlich kennen? Und wie ernst meint man es dabei? Oder sucht man nur die ›Dame seines Herzens?‹ So ein traumhaftes Klischee? Ich werde mit Dir kämpfen, mich auf Dich einlassen, solange das gut ist für beide. Aber man muss genau hinsehen, wer der andere ist. Sonst geht wieder alles schief.
Weißt Du, Amore, der Bundespresseball, den ich dreimal erleben durfte, ist der Jahreshöhepunkt in einem Journalistenleben, denn da begegnen sich alle VIPs, und an einer Einladung erkennt man, dass man bedeutend ist. Beim letzten Mal war ich als Pianistin zur sog. Mitternachtsspitze engagiert. Und als ich genug hatte von Helmut Kohl und den feinen Herren und Damen im Abendkleid, habe ich mir eine wunderschöne Frau geschnappt, so um die 40 und mit ihr einen traumhaften, erotischen Tango auf die Tanzfläche gelegt.
Man kann so leicht zur Betriebsbedienerin werden, deshalb muss man sich immer kleine Störfaktoren ausdenken, besser etwas provocare, also hervorrufen. Und so bin ich aus Überzeugung eine Provokateurin.
Ich bin grundsätzlich höflich. Aber wenn ich Toten begegne, werde ich zur Totentänzerin. Ich kann nichts dafür. Du weißt, le stelle …
12. April – 09:08 Uhr
Guten Morgen, meine liebe Fee!
Die Sonne scheint! Es ist frühlingshaft mild. Heute konnte ich zum ersten Mal wieder joggen, ohne mir die Lunge aus dem Halse zu husten.
Ich habe mir vorgenommen, nie wieder in dem Ton von gestern zu schreiben. Man kann aneinandergeraten oder sich auch streiten. Aber man muss sich dabei in die Augen sehen. Mit Schreibautomaten läuft alles aus dem Ruder, weil man nur einen Text hat, den man kommentiert, zerpflückt, zerhackt und darin herumpickt, aber nicht in das geliebte Gesicht sieht.
Wann gehst Du heute mit Claudio spazieren? Ich möchte Dich begleiten.
Der Brief, den ich Dir gestern sandte, sprüht doch vor Freude und Liebe zu Dir. Und etwas zum Lachen war doch hoffentlich auch dabei. Ich denke, wir genießen erst mal den Ball in meinem Freundeskreis und auf dem Heimweg zerreißen wir alle Gäste, oder wenigstens einige, in der Luft. Wow! Das wird ein Fest! Wir müssen uns heute wiedersehen!
Dein Max
12. April – 09:47 Uhr
Hallo Evachen,
wir haben jetzt Sommerzeit und Du musst Deine Uhr umstellen. Mein Süßes, Du kannst so schön poltern! Ich muss Dich heute sehen!
Dein Animodanbeter
12. April – 11:21 Uhr
Eine Stunde vor oder zurück?
12. April – 11:33 Uhr
Egal, mit Dir wird mir die Zeit nie lang!
Küsschen
12. April – 14:15 Uhr
Was ist mit Dir, mein Liebling? Seit zwei Stunden keine Mail?
Bist Du krank oder gehst Du fremd?
Max
12. April – 14:24 Uhr
Beides, Amore.
Ich kann fast gar nicht gehen. Habe schreckliche Schmerzen im Bein. So hat Claudio leider sein Geschäft auf meine Holzdielen machen müssen. Ich gehe jetzt
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