Tastenfieber und Liebeslust
kalt ist (sonst gehen wir eben gleich ins Café), und treffen uns am Denkmal gegenüber vom Schloss Charlottenburg, es liegt im Mittelstreifen am Ende der Schlossstraße. Leider weiß ich nicht, wer da steht, sonst würde ich sagen können: »Um 15 Uhr beim Alten Fritz«, aber ich weiß eben nicht, ob er es ist, und Sie stehen dann vielleicht wartend unter einem anderen Denkmal. Das soll nicht sein. Ich werde auch Claudio mitbringen. Einverstanden?
Eva
16. März – 21:38 Uhr
Liebe Eva,
da ich gerade mal wieder am IN hänge (meiner ebay-Manie nachgehe) folgt ganz schnell meine Antwort.
Als alter Charlottenburger bin ich ganz verwirrt darüber, dass gegenüber dem Schloss ein Denkmal stehen soll. Habe ich noch nie gesehen! Ich kenne nur ein Denkmal in der Gegend: nämlich im Schlosshof das Reiterdenkmal des GROßEN KURFÜRSTEN, Friedrich Wilhelm des I. (von Schlüter). Dieser Kurfürst war mit Prinzessin Elisabeth-Charlotte von der Pfalz verheiratet, und diese nette Dame war zugleich Namensgeberin des Berliner Stadtteils, in dem ich wohne. Ich schlage vor, wir nehmen dieses Denkmal.
Nein, nein, keine Dauerwellen, die dauern erstens sehr lange und kosten zweitens viel. Eine Locke à la M. M., die verführerisch in die Stirn fällt, reicht, ist nicht so teuer und kann auch mit einem antiken Brenneisen auf dem Weg vom Badezimmer zum Boudoir hergestellt werden.
Ihr zunehmend ungeduldiger, zugleich neugieriger
Maximilian
16. März – 22:03 Uhr
Okay. Komme zum Reiterdenkmal.
Ihre witzigen, charmanten Mails bringen mich immer zum Lachen. Das ist schön. Bis morgen.
Eva
17. März – 10:05 Uhr
Liebe Eva,
ich verstehe nicht, was so lächerlich an meinen wohlgesetzten Worten sein soll? Ich hatte keineswegs vor, Sie zum Lachen zu bringen. Irgendwie werde ich wohl missverstanden, denn meine Lage war noch nie so ernst. Vorm Abschlussball der Tanzstunde litt ich an weniger Angstschweiß als heute!
Na ja, vielleicht ist meine Befürchtung unbegründet, und es regnet nachher. Der Wetterbericht meldet allerdings, dass um 15 Uhr zumindest am Reiterdenkmal die Sonne scheinen würde, nicht nur meteorologisch. Der Puls steigt und der Blutdruck sinkt! Mon Dieu! Warum kann es nicht andersherum sein?
Ihr Maximilian
17. März – 11:30 Uhr
Caro Dottore,
Sie dürfen das Leben nicht so ernst nehmen! Wie heißt es im Brahms-Requiem? ›Ach, wie so gar nichts sind doch alle Menschen, die doch so sicher leben. Sie geh’n dahin wie ein Schemen und machen ihre vergebliche Unruhe. Sie sammeln und wissen nicht, wer es kriegen wird.‹
Niederschmetternd, aber nicht ganz falsch.
Ich wollte Sie noch etwas vorwarnen: Wenn ich jemanden auf der Straße anspreche oder umgekehrt, rast Claudio wie ein Pfeil auf die Person zu, springt umher und bellt entsetzlich! Das ist eine Mischung aus Bodyguard und Begrüßung, denn er wedelt dabei mit dem Schwanz. Also nicht erschrecken. Ich werde ihn diesmal extra an die Leine nehmen. Er beißt natürlich nicht, aber dieses Verhalten kann ich ihm nicht austreiben, und deshalb gehe ich nächste Woche mit ihm in eine Hundeschule. Solange wir nicht miteinander reden, bellt er auch nicht. Vielleicht ziehen Sie das vor?
Gruß
Eva
17. März – 12:31 Uhr
Aber liebe Eva –
dieser Brahmstext ist mir nicht geläufig! Haben Sie den nicht etwas verhunzt? Die ersten drei Worte stimmen zwar, aber es heißt doch korrekt: ›Ach, wie so trügerisch, sind …‹ Wie kann Ihnen, einer studierten Musikwissenschaftlerin, denn so ein Fauxpas unterlaufen?
Zu meiner Beerdigung hatte ich mir bisher die Musik von Miles Davis aus dem Film ›L’ascenseur pour l’échafaud‹ gewünscht. Na ja, vielleicht sollte man den seligen Johannes auch ein bisschen aufspielen lassen.
Wegen des Bellens, ohnehin nur ein Zeichen von Eifersucht, mache ich mir keine Sorgen. Ich belle einfach zurück!
›Wenn ich jemanden auf der Straße anspreche oder umgekehrt …‹ (Der arme Claudio muss, fürchte ich, sehr oft bellen und ist abends wohl immer heiser?)
Liebe, der ernsten Situation angemessene Grüße
Ihr Maximilian
17. März – 12:45 Uhr
Verhundst?
1. hat Claudio keinen so großen Einfluss auf mein Gedächtnis und
2. kennen Sie wohl die Psalmen nicht. Vielleicht sollte ich nachher doch schwarz tragen.
Eva
17. März – 19:33 Uhr
Liebste Regina,
vorhin habe ich den Baron getroffen! Ich hatte die letzten Reste meiner Schönheit poliert, war aber trotzdem ganz schön nervös
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